Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Aibell zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
Eadulf sah Fidelma erstaunt an. Sie nahm einen Stuhl und setzte sich dem Mädchen gegenüber.
»Liamuin war die Frau von Escmug, deinem Vater?«
Aibell schniefte verächtlich. »Was weißt du noch alles von meiner Mutter?«
»Gar nichts, es sei denn, du erzählst uns etwas. Lebt sie noch?«
Das Mädchen zögerte und sagte schließlich: »Ich weiß es nicht.«
»Das musst du uns erklären.«
Aibell lachte kurz auf. »Du meinst, wieso ich nicht weiß, ob sie lebt oder nicht? Die Antwort ist einfach. Ich hatte gerade das Alter der Wahl erreicht und hatte auf dem Acker nicht weit von unserem Haus gearbeitet. Als ich heimkam, war meine Mutter verschwunden. Später kehrte mein Vater vomFischfang zurück, da war sie immer noch nicht da. Sie ist niemals wieder zurückgekommen.«
»Und du hast nie erfahren, was ihr zugestoßen ist?«
»Ich denke, sie konnte es nicht länger ertragen, von meinem Vater immer verprügelt zu werden, wenn er betrunken war. Da ist sie eben fortgelaufen.«
»Und hat dich einfach zurückgelassen?«, fragte Fidelma ungläubig. »Hat dich ohne jeden Schutz zurückgelassen, obwohl sie wusste, was für ein Kerl er ist?«
Aibell zuckte nur die Achseln und schwieg.
»Du sagst, das war gerade, nachdem du das Alter der Wahl erreicht hattest?«
»An den Tag erinnere ich mich genau, denn tags darauf hörten wir, dass Fürst Eoganán bei Cnoc Áine geschlagen wurde.«
»Damals siegte König Colgú über die aufständischen Uí Fidgente«, stellte Gormán richtig.
»Hat man gar nicht nach deiner Mutter gesucht? Auch ihre Verwandten nicht?«, fragte Fidelma rasch, ehe das Mädchen auf Gormáns Bemerkung etwas erwidern konnte.
»Mein Vater hat getobt, dass sie weg war. Er ist zum bó-aire , zum Clanführer, gegangen, aber getan hat sich nichts. Ich glaube, meine Mutter hatte einen Bruder, doch über den durfte nie gesprochen werden, weil mein Vater ihn hasste. Ich weiß nicht einmal, wie er hieß. Es gab auch einen entfernten Verwandten, der hatte eine Mühle, irgendwo weit weg von uns. Eines Tages kam mein Vater nach Hause und hat gesagt, ich soll meine Sachen zusammenpacken, wir gehen jetzt meine Mutter besuchen.«
»Und was ist dann passiert? Du hast gesagt, du hast sie nie mehr gesehen, seit sie euch verlassen hatte.«
»Mein Vater hatte mich belogen. Wir sind eine Weile nachSüden gewandert, dorthin wo die Sliabh-Luachra-Berge sind. Dann stießen wir auf einen Haufen Leute, und denen übergab mich mein Vater. Er bekam Geld von ihnen – er hat mich verkauft!«
Dem Mädchen versagte die Stimme.
»Und du warst gezwungen, mit den Leuten mitzugehen?«
»Die gehörten zum Stamm der Luachra. Wie eine Leibeigene haben die mich gehalten bis vor ungefähr einer Woche. Da bot sich eine Gelegenheit, und ich bin geflohen.«
»Wohin wolltest du?«
»Irgendwo nach Osten, möglichst weit weg. Ich denke mal, mein Vater hat meine Mutter umgebracht an dem Tag, da sie verschwand, und sein Wutgeschnaube war nur gespielt.«
»Wie kommst du darauf?«, fragte Eadulf.
»Als ich meine Sachen zusammenpacken sollte, habe ich noch was aus dem Schuppen geholt. Da lagen blutbefleckte Kleidungsstücke herum. Damals habe ich mir weiter keinen Kopf gemacht, erst Jahre später, als mir das mit dem Verschwinden meiner Mutter keine Ruhe ließ, ist es mir aufgegangen.«
»Was für einen Grund mag dein Vater gehabt haben, die eigene Frau umzubringen?«, fragte Eadulf weiter.
»Gründe gab’s genug. Ich habe euch ja gesagt, dass mein Vater ein colach war.« Sie spie das Wort geradezu aus, es war ein Schimpfwort für einen gemeinen Sittenstrolch. »Meine Mutter wusste, worauf er aus war. Sie hat versucht mich zu schützen, so gut sie konnte, und jedes Mal hat er sie geschlagen. Ich glaube, sie ist deswegen fortgelaufen und hat mich ihm überlassen. Oder wie ich mittlerweile eher annehme, er hat sie aufgespürt und ermordet.«
»Hatte deine Mutter Liamuin irgendeine Beziehung zu Cashel?«
Aibell zog die Augenbrauen zusammen. »Cashel? Was meinst du damit?«
»Hat sie jemals mit dir über meinen Bruder, König Colgú, geredet?«
»Warum sollte sie?«
»Deine Gegenfrage nehme ich als Verneinung.«
»Ich hab euch doch gesagt, wir waren arm. Der Vater meiner Mutter ging in ein Kloster, als seine Frau starb. Mein Vater war Fischer. Mit Adligen hatten wir nie was zu tun.«
»Aber ihr habt doch gar nicht weit von der Festung der Stammesoberen der Uí Fidgente gewohnt. Hat
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