Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
Beide werden sich vor dem Gesetz verantworten müssen, das verspreche ich dir.«
Das Mädchen schniefte nur geringschätzig, ein solches Versprechen hielt sie für unglaubwürdig.
»Mein Vater ist tot, und wer will schon Fidaig bestrafen? Er ist ein mächtiger Mann und herrscht über die Berge von Sliabh Luachra.«
Jetzt mischte sich Della ein. »Mein gutes Mädchen, ich kann deine Drangsal nicht ermessen, aber eins weiß ich: Wenn Lady Fidelma sagt, dass sie dafür sorgt, dass etwas geschieht,dann geschieht es auch.« Stimme und Tonfall waren so eindringlich und überzeugend, dass selbst Aibell beeindruckt war. Achselzuckend drehte sie sich zur Seite.
Fidelma wandte sich an Gormán. »Kümmere dich um unsere junge Freundin hier«, bat sie ihn ruhig, und zu Eadulf: »Komm, wir gehen zur Koppel. Ich brauche deinen Rat.«
Eadulf wollte etwas sagen, ihr Mienenspiel aber ließ ihn schweigen. Gemeinsam gingen sie langsam zum Gatter der Koppel. Dort blieben sie stehen.
»Worum geht es?«, fragte er. Sie lehnten sich über das Gatter und betrachteten die beiden Pferde, die zufrieden vor sich hin grasten.
»Das ist eine verworrene Geschichte«, seufzte Fidelma.
Eadulf schmunzelte. »Dass du zugibst, dass dich etwas verwirrt, geschieht nicht oft.«
»Als wir das Mädchen fanden, dachte ich, wir würden der Sache rasch auf den Grund kommen«, meinte sie kopfschüttelnd.
»Ich glaube, wir wissen schon ganz schön viel. Immerhin ist klar, dass der Attentäter zu Pferd hierherkam. Er bestrich das Fleisch für Dellas Hund mit einem Betäubungsmittel, damit er nicht anschlagen konnte, und stellte das Pferd auf Dellas Koppel ab. Dann schlüpfte er in die Kutte eines frommen Bruders aus Mungairit, ließ seine Sachen in der Holzfällerhütte und ging auf die Burg. In seine Satteltasche ist das Symbol der Uí Fidgente gebrannt, nicht nur irgendeins, das auf die Zugehörigkeit zu dem Clan verweist, sondern ausdrücklich das Symbol der Herrscherfamilie. Es ist bekannt, dass die Eóghanacht und die Uí Fidgente seit Generationen in Blutfehde liegen. Du weißt selbst nur allzu gut, dass immer, wenn es zu einem Aufstand im Königreich kommt, die Uí Fidgente dahinterstecken.«
»Nicht immer.« Fidelma fand es nötig, darauf hinzuweisen. »Nicht, seit mein Bruder sie bei Cnoc Áine geschlagen hat.«
Vor Jahren hatte Colgú an den Berghängen von Cnoc Áine einen Aufstand von Eoghanán, dem Stammesführer der Uí Fidgente, niedergeschlagen. Auch Eoghanáns kriegswütige Söhne Torcán und Lorcán hatten in der Schlacht den Tod gefunden. Als dann das Gebiet der Uí Fidgente an Donennach, den Sohn von Oengus, überging, schloss der Frieden mit Cashel, und seitdem herrschte einigermaßen Ruhe, nur hier und da flammte immer mal wieder Unmut auf.
Der Grund der Streitigkeiten war stets derselbe. Von jeher erhoben die Uí Fidgente Anspruch auf die führende Rolle im Königreich, gaben vor, die rechtmäßigen Herrscher zu sein und nicht die Eóghanacht, die Nachfolger von Eóghan Mór. Sie behaupteten, von Cormac Cass, dem älteren Bruder von Eóghan Mór, abzustammen, und nannten sich manchmal Dál gCais, Nachkommen von Cass. Jedoch fanden sie jenseits ihrer Landesgrenzen kaum Unterstützung.
»Ist ja richtig, dass dein Bruder die Uí Fidgente besiegte, aber genau das könnte der Auslöser für den Mordanschlag hier sein. Vielleicht wollte der Täter sich an deinem Bruder rächen, weil er seinerzeit die Uí Fidgente geschlagen hat. Ihr Hauptort ist Dún Eochair Mháigh, genau der Ort, woher das Mädchen angeblich kommt. Sie hat sich ausgerechnet in der Hütte verkrochen, die auch der Attentäter benutzte. Sie ist aufsässig und keineswegs kooperativ. Es ist doch klar, dass es da einen Zusammenhang gibt.«
Fidelma schüttelte den Kopf. »Das ergibt nur oberflächlich gesehen Sinn.«
»Oberflächlich?«
»Alles, was du sagst, ist richtig, Eadulf. Aber die Dinge bedürfen der logischen Verknüpfung.«
»Die Logik liegt doch auf der Hand.«
»Versetzen wir uns einmal in die Lage des Täters. Wegen irgendeines Verbrechens wollte er an meinem Bruder Rache nehmen. Wir glauben, es hatte etwas mit einer Frau namens Liamuin zu tun – wenngleich mein Bruder nichts mit dem Namen anzufangen weiß. Allem Anschein nach war der Täter eher ein Schreiber und Miniaturmaler als ein Krieger.«
»So weit kann ich dir folgen.«
»Wir vermuten, er erreichte das Randgebiet von Cashel ungesehen. Was trieb ihn gerade hierher? Es muss dunkel sein für
Weitere Kostenlose Bücher