Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
dein Vater an dem Aufstand teilgenommen, den Fürst Eoganán anführte?«
»Dazu war er viel zu feige. Er hat sich sicherheitshalber meist auf dem Fluss aufgehalten.«
Fidelma überlegte eine Weile. »Beantworte mir noch eine Frage, Aibell. Warum hat der Mann, der meinen Bruder ermorden wollte, ›Rache für Liamuin!‹ geschrien, als er den Dolch hob und zustieß?«
Das Mädchen war zuerst überrascht und schließlich ganz verwirrt. »Ich habe keine Ahnung, aber wenigstens weiß ich jetzt, woher du den Namen kanntest. Weshalb glaubst du, dass diese Liamuin meine Mutter gewesen sein könnte?«
»Weitverbreitet ist der Name nicht«, fuhr Gormán grob dazwischen. »Und merkwürdig ist schon, dass du in Cashel gerade in der Nacht auftauchst, als jemand versucht, den König zu ermorden und dabei den Namen ruft. Und dann finden wir dich in eben der Hütte, in der der Attentäter seine Kleidung und sein Sattelzeug gelassen hat.«
»Ich sage es noch einmal, meine Mutter ist vor vier Jahren von meinem Vater weggerannt. Ich wurde an die Luachra verkauft. Mit Cashel habe ich rein gar nichts zu tun.«
Fidelma war enttäuscht, sie spürte, dass sie nicht weiterkam.»Wir werden dich mit auf die Burg nehmen, du musst dir den toten Mörder ansehen. Vielleicht erkennst du ihn.«
Fidelma beobachtete Aibells Gesichtsausdruck, als Eadulf das Leichentuch anhob. Nicht das geringste Zucken verriet, dass sie den Toten erkannte. Stumm schüttelte sie den Kopf, ehe noch eine Frage gestellt wurde.
Beim Verlassen der Kapelle erklärte ihr Fidelma: »Ich fürchte, wir müssen dich als unseren Gast hierbehalten, bis wir in allen Einzelheiten wissen, was dich ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt nach Cashel geführt hat.«
Sie wunderte sich, dass Aibell sich nicht dagegen wehrte, sich nur neugierig umschaute und von den Gebäuden überwältigt war. Gemeinsam gingen sie über den Burghof und suchten Dar Luga, die Haushälterin, die für die hauswirtschaftlichen Belange zuständig war. Ihr oblag es, Gäste unterzubringen und zu bewirten und die königliche Familie zu umsorgen, wohingegen Beccan der Verwalter und Zeremonienmeister des Hofes war. Fidelma sah Caol aus einer Seitentür kommen und rief ihm zu: »Hast du Dar Luga gesehen?«
Caol drehte sich zu ihnen um und gab eilfertig Auskunft: »Sie ist im …«, begann er, sprach aber nicht weiter, sondern starrte das junge Mädchen neben ihr verblüfft an.
»Das ist unser neuer Gast«, erklärte ihm Fidelma rasch. »Aibell heißt sie. Sie wird eine Weile bei uns bleiben.«
Dem Hauptmann der Leibwache fiel es offensichtlich schwer, den Blick von dem hübschen dunkelhaarigen Mädchen zu wenden.
»Du wolltest gerade sagen, wo ich Dar Luga finde«, erinnerte ihn Fidelma.
»Ach ja. Du brauchst nur durch die Tür da zu gehen, dannfindest du sie gleich.« Sie folgten seinem Hinweis. Fidelma entging nicht, dass Caol ihnen versonnen nachschaute.
Der Haushälterin schärfte sie ein, dass Aibell als Gast und mit aller Höflichkeit zu behandeln wäre, nur dürfte sie das Burggelände erst verlassen, wenn Fidelma ihre Einwilligung dazu gegeben hätte. Sie ließ das Mädchen in der Obhut der fülligen Haushälterin und suchte Bruder Conchobhar, den Apotheker, auf.
Eadulf hatte sich schon auf den Weg zu Alchú gemacht, um ihn abzuholen, und Gormán wollte die Pferde aufzäumen und sie begleiten.
Bruder Conchobhar begrüßte Fidelma mit einem vagen Lächeln und wiegte bedenklich den Kopf. »Seit heute früh hat sich nichts spürbar verändert.«
»Wann wirst du sagen können, das Schlimmste ist überstanden, er ist außer Gefahr?«
»Bei so einer Verletzung können wir niemals sicher sein. Zum Glück hat er nur eine Stichwunde abbekommen. Der Dolch ist aber ziemlich tief eingedrungen. Es hätte schlimmer sein können, hätte sich nicht der arme Brehon Áedo über den König geworfen und hätte Caol nicht den Täter erledigt, bevor er mehr Unheil anrichten konnte.«
»Du hältst mich doch gewiss auf dem Laufenden?«
»Selbstverständlich.« Sie wollte schon gehen, da hielt er sie mit einer Frage zurück. »Du hast eine Gefangene auf die Burg gebracht?«
»Du hast deine Augen und Ohren wirklich überall«, sagte sie erstaunt. »Ich bin kaum zurück, und schon hast du davon erfahren.«
Bruder Conchobhar kicherte vergnügt. »Seit den Tagen von König Cathal, dem Sohn von Áedo Flainn, habe ich den Eóghanacht auf dieser Burg gedient. Da wäre ich doch einarmseliger Wicht, wenn ich nicht sofort
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