Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
wieder gesehen.«
»Glaubte man, die Tochter hätte ihren Vater ermordet?«, fragte Fidelma.
»Selbst wenn, wer hätte ihr das verübeln sollen? Wer sich da aufgespult hätte, wäre von den anderen für verrückt erklärt worden. Die Tochter verschwand jedenfalls wie ihre Mutter auf Nimmerwiedersehen.«
»Gibt es hier in der Gegend noch irgendwelche Angehörige aus Escmugs Familie?«
»Nicht dass ich wüsste. Aber ich kann mich gern erkundigen …« Er hielt inne, denn eine Glocke läutete. »Das ist das Zeichen, dass das Badewasser für euch bereitet ist. Führen wir also unsere Unterhaltung beim Abendessen fort.«
Geraume Zeit später saßen Fidelma und Eadulf in der ihnen zugewiesenen Gästekammer. Beide hatten gebadet und sich umgekleidet und warteten auf das Glockenläuten, das sie zum Abendessen rufen würde.
»Wenn du mich fragst, wissen wir nicht viel mehr als das, was wir schon bei unserem Aufbruch wussten«, sagte Eadulf nachdenklich. »Aibell hat uns offensichtlich die Wahrheit gesagt, wenn wir mal davon absehen, dass sie vielleicht auch ihren Vater umgebracht hat.«
»Ich glaube nicht, dass sie das getan hat. Der Vater hat sie an Fidaig von den Luachra verkauft und ist vermutlich gleich danach getötet worden. Sie hatte gar nicht die Möglichkeit, es zu tun.«
In diesem Punkt musste Eadulf ihr recht geben. »Dennoch ergibt sich da ein merkwürdiges Bild. Wir haben gehört, dass Ledbán zwei Kinder hatte. Das eine war Bruder Lennán unddas andere Liamuin. Jemand, der sich als Lennán ausgibt, versucht deinen Bruder zu töten und ruft dabei ›Rache für Liamuin!‹ – wobei sich der Name als der von der Schwester des wahren Lennán herausstellt. Dann steckt Aibell, die Tochter von Liamuin, in der Hütte, in der sich kurz zuvor auch der vermeintliche Bruder Lennán aufgehalten hat. Als Nächstes erstickt man, wie wir glauben, den Vater von dem echten Bruder Lennán und Liamuin, damit er uns nichts weiter über seine Tochter verraten kann. Und hinzu kommt die Sache mit Ordan, dem Kaufmann, und seine undurchsichtigen Geschäfte mit dem mysteriösen Adamrae. Verworrener kann das Ganze gar nicht sein.«
»Es ist in der Tat ein einziger Wirrwarr«, gab Fidelma zu. »Und doch hängt alles irgendwie zusammen, davon bin ich überzeugt. Bleibt wie immer die Frage, wie wir der Sache auf den Grund kommen.«
Sie hörten eine Glocke läuten, und Eadulf stand auf. »Hoffentlich gibt es etwas Anständiges zu essen.«
An der Tür klopfte es, sie ging auf, und eine Bedienstete erschien, ein junges Geschöpf, kaum zwanzig Jahre alt, mit hübschem Gesicht, dunklem Haar und heller Haut.
»Ich soll euch zur Festhalle bringen«, sagte sie.
Eadulf wollte schon eine Bemerkung fallenlassen, sie würden den Weg dorthin auch allein finden, doch Fidelma kam ihm zuvor.
»Wie heißt du?«
»Ciarnat, Lady.«
»Wie lange arbeitest du schon hier, Ciarnat?«
»Seit ich das Alter der Wahl erreicht habe, mit vierzehn habe ich hier angefangen. Aber meine Mutter hat früher als coic hier gearbeitet, und deshalb ist mir Dún Eochair Mháigh von Kindesbeinen an vertraut.«
Eine coic war eine erfahrene Köchin, die im Haushalt von Adligen arbeitete.
»Dann kennst du auch die Siedlung recht gut, oder?«
»Aber natürlich. Ich bin ja hier geboren und aufgewachsen.«
»Kannst du dich an ein Mädchen namens Aibell erinnern, die Tochter von Escmug? Du müsstest etwa genauso alt sein wie sie.«
Trauer huschte über ihr Gesicht. »Ich habe sie gekannt«, sagte sie leise. »Sie war einst meine beste Freundin.«
»Einst?«
»Sie und ihr Vater sind von hier fort, und beide sind nie wieder zurückgekehrt. Ihren Vater hat man ermordet aufgefunden. Ich fürchte, es könnte sie gewesen sein, die ihn umgebracht hat.«
»Wie kommst du darauf?«
»Ihr Vater war ein Wüterich und schlug sie ständig. Auch ihre Mutter hat er geschlagen, bis sie dann weggelaufen ist. Die Leute im Ort meinen, er hätte ihre Mutter ermordet.«
Die Glocke ertönte erneut und eindringlicher als zuvor. Das Mädchen lauschte und hob ängstlich den Kopf.
»Das abendliche Mahl, Lady. Ich bekomme Ärger, wenn ich euch nicht augenblicklich dorthinbringe.«
»Keine Sorge, Ciarnat«, beruhigte sie Fidelma. »Wir gehen gleich mit. Ich hätte nur gern gewusst, ob es noch irgendeinen Angehörigen aus Aibells Familie gibt, der vielleicht hier in der Gegend wohnt.«
Das Mädchen zögerte. »Marban, das ist ihr Onkel, er ist ein saer-muilinn «, sagte sie dann.
»Ein
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