Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
nicht so leicht auf, und schon gar nicht in einer Situation wie dieser, wo sie eben erst erfahren hatten, dass es nicht weit von hier noch einen Verwandten von Aibell geben sollte. Irgendetwas hatte sie vor, aber was?
»Das werden wir gewiss sein«, stimmte ihr Cúana eilfertig zu. »Wann gedenkst du, Dún Eochair Mháigh zu verlassen?«
»Es gibt keinen Grund, hier länger zu bleiben. Wir werden uns gleich morgen früh auf den Weg machen.«
»Bis zur Grenze der Luachra können wir dir gern Begleitschutz mitgeben«, bot Conrí an, und Cúana stimmte ihm sofort zu.
»Vielen Dank, aber ich denke, das ist nicht nötig«, wehrteFidelma höflich ab. »Wir werden uns ohnehin nicht lange in ihrem Gebiet aufhalten, es zieht mich nach Cashel zurück. Das Leben meines Bruders hing am seidenen Faden, als wir abreisten, höchste Zeit, dass wir zurückreiten.«
»Das ist nur allzu verständlich«, erwiderte Conrí. »Wir wollen hoffen, dass – wenn die Sache schlimm ausgeht – sich wenigstens herausstellt, dass der Attentäter keiner von den Fürst Donennach treu ergebenen Uí Fidgente war.«
»Uns ist durchaus bewusst, in welchem Ruf die Uí Fidgente in manchen Teilen des Königreichs stehen«, fügte Cúana hinzu. »Vielleicht wollte der Attentäter euch auch nur in die Irre führen und das Ganze als eine Verschwörung der Uí Fidgente erscheinen lassen, während sich in Wirklichkeit ein solches Vorhaben mehr im Umkreis von Cashel zusammenbraute.«
»Im Umkreis von Cashel?« Eadulf war fassungslos.
»Warum nicht?« Cúana gab sich harmlos. »Gleich an unserer Ostgrenze leben die Eóghanacht Áine. Gehört Colgús Thronfolger Finguine nicht ebendem Clan an?«
Fidelma blieb angesichts dieses ungeheuerlichen Gedankens erstaunlich ruhig. »Das ist ein interessanter Gesichtspunkt. Ich werde ihn zu bedenken wissen«, erwiderte sie kalt.
Gormán und Eadulf wechselten einen raschen Blick, wussten doch beide, dass Finguine großes Vertrauen in Cashel genoss und sich verschiedentlich als würdiger Nachfolger von Colgú erwiesen hatte.
Fidelma unterdrückte ein Gähnen. »Wir hatten einen langen Tag heute, und der morgige kann nur noch länger werden. Wenn wir morgen zeitig aufbrechen wollen, sollten wir uns jetzt zur Ruhe begeben.«
Sie stand auf, und die anderen taten es ihr gleich. Eadulf und Gormán lehnten eine Einladung zu einer gemütlichenRunde am Feuer ab und überließen die Männer ihrem corma und Bier.
Draußen machte Fidelma aus ihrem Verdruss keinen Hehl. »Ich fände es gut, wenn wir die Festung verlassen, noch ehe man hier aufsteht.« Sie wandte sich an Gormán. »Bist du vernünftig untergebracht?«
»Ich hatte schon schlechtere Nachtlager, Lady«, antwortete der junge Krieger mit einem schalkhaften Grinsen. »Man hat mir ein brauchbares Bett in einer Ecke des laochtech zugewiesen.«
»Gut. Sattle die Pferde noch vor Morgengrauen.«
»Geht in Ordnung, Lady. Sonst noch etwas?«
»Im Augenblick nicht. Dieser Cúana ist mir nicht ganz geheuer. Sei auf der Hut und schlaf nicht zu fest.«
Gormán führte eine Hand an die Stirn und ging dann zum Haus der Helden, wo die Krieger schliefen.
Fidelma und Eadulf begaben sich zum Gästeraum. Als Fidelma merkte, dass Eadulf etwas sagen wollte, legte sie den Finger auf die Lippen und bedeutete ihm, lieber zu warten, bis sie in ihrer Kammer und unbeobachtet waren .
Dort angekommen, hielt er nicht länger an sich. »Irgendetwas stimmt hier nicht.«
»Mir geht es genauso wie dir – ich weiß nur nicht, was es ist.« Grübelnd ließ sie sich auf die Bettkante sinken.
»Das Mädchen hat gesagt, Escmug hätte einen Verwandten, der hier in der Nähe eine Getreidemühle betreibt. Davon muss auch Cúana wissen, leugnet aber die Existenz eines solchen Verwandten. Dabei müssten eine Getreidemühle und ihr Besitzer für einen Ort wie diesen hier durchaus von Bedeutung sein.«
»Das siehst du richtig. Was aber bezweckt Cúana?«
»Wahrscheinlich will er nicht, dass wir etwas davon erfahren.«
»Nur warum? Das ist die entscheidende Frage.«
»Und auch das Rätsel.«
»Irgendetwas ist hier im Busch. Aber was? Es ist äußerst merkwürdig, dass Cúana versucht hat, den Verdacht auf Finguine zu lenken. Er gilt als der Thronerbe meines Bruders und hat sich in vielen Situationen als vertrauenswürdig erwiesen. Als Colgú Gefahr lief, von seinem damaligen Thronfolger Donndubháin verraten zu werden, war Finguine die Rettung, und damals hat man ihn dann zum tánaiste gewählt.
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