Das Sühneopfer: Historischer Kriminalroman (Schwester Fidelma ermittelt) (German Edition)
auf.
»Viel gibt es da nicht zu sagen. Wir waren kleine Mädchen damals und wuchsen zusammen auf. Wir erkundeten die Umgebung und spielten zusammen – das konnten wir aber nur, wenn Aibells Vater arbeiten war. Er hatte ein Boot und war oft zum Fischen unterwegs, und wenn wir Glück hatten, war er ganz schön lange weg. Dann waren wir fröhlich miteinander, denn wenn er zu Hause war, war er meist betrunken.«
»In den gemeinsamen fröhlichen Stunden, wie war es da?«
»Einfach wunderschön. Aibell war eine großartige Freundin.«
»Und Aibells Mutter Liamuin? Wie war die?«
»Sie war jung und hübsch, aber sie hatte viel auszustehen.«
»Wieso das?« Fidelma gab sich nachdenklich. »War sie jünger als Escmug? Nun ja, das zu beurteilen ist sicher schwierig für dich, als Kind macht man sich wenig Gedanken über das Alter von Erwachsenen.«
»Nein, nein, ich weiß Bescheid. Escmug war alt und böse, und Liamuin war jung. So manch ein Mann hätte gern mit ihm getauscht. Ich habe die Männer reden hören. Viel davon verstanden, was sie meinten, hab ich nicht, wohl aber behalten, was sie gesagt haben.«
»Eine hübsche Frau war Liamuin also, und wie stand Aibell zu ihr?«
»Sie liebte ihre Mutter, und diese Liebe beruhte auf Gegenseitigkeit, denn Liamuin stellte sich immer schützend vor Aibell gegen ihren Vater. Oft genug kam Aibell mit blauen Flecken. Und als dann ihre Mutter verschwand, wurde es richtig schlimm für Aibell.«
»Und das war wann?«
»Das war ungefähr, als ich das Alter der Wahl erreichte.« Sie krauste die Stirn und dachte angestrengt nach. »Vor vier Jahren muss das gewesen sein, ziemlich gleich nach der großen Schlacht bei Cnoc Áine.«
»Kam dir das nicht merkwürdig vor, dass Liamuin verschwand und Aibell zurückließ?«
»Natürlich. Alle wussten, dass Liamuin die arme Aibell sehr lieb hatte. Nie im Leben hätte sie sie einfach in der Gewalt von Escmug gelassen. Er trank immer mehr und behandelte Aibell wie … wie … ich kann gar nicht sagen, wie.«
»Und trotzdem ist Aibells Mutter einfach davongelaufen.«
»Das stimmt. Und alle Welt hoffte auch, dass ihr das gelungen sei und sie einen sicheren Zufluchtsort gefunden hatte. Aber wo war es damals schon sicher!«
»Wie meinst du das?«, drang Eadulf in sie.
»Nach der Niederlage unserer Kämpfer bei Cnoc Áine wurden überall bei uns Krieger des Königs von Cashel einquartiert, und das sechs Monate lang. Viele unserer Adligen, die zu Eoganán gehalten hatten, waren nicht gewillt, sich der Besatzung unterzuordnen, und flohen. Sie verschanzten sich an abgelegenen Orten und fochten in kleinen Trupps gegen die Unterdrücker. Als sie endlich aufgaben und sich dem Unabänderlichen fügten, konnte Fürst Donennach einen Friedensvertrag mit Cashel schließen. Danach wurde es dann besser.«
»Zu Anfang war es aber anders?«, fragte Fidelma.
Das Mädchen kämpfte mit sich, antwortete aber schließlich doch. »Du musst schon entschuldigen, Lady. Die meisten Eóghanacht verhielten sich anständig uns gegenüber, aber da gab es einen, Uallach von Áine, den Befehlshaber, der vertrat die Ansicht, alle Uí Fidgente verdienten, nicht besser behandelt zu werden als Tiere. Er kam dann in einemScharmützel zu Tode. Erst danach wurde der Friedensvertrag geschlossen.«
Eadulf stellte die nächste Frage. »Hat sich Colgú, der König von Cashel, in der ganzen Zeit hier einmal sehen lassen, um sich ein Urteil über die Lage der Dinge zu bilden?«
Das Mädchen starrte ihn verständnislos an. »Weshalb hätte er es tun sollen?«
»Noch einmal: Nach der Schlacht bei Cnoc Áine, in der Eoganán eine Niederlage erlitt, wurden auf dem Gebiet der Uí Fidgente Krieger der Eóghanacht stationiert. Ist in der Zeit auch Colgú einmal hergekommen?«
Ciarnat schüttelte den Kopf. »Ich habe nie davon gehört, dass er einmal hier gewesen wäre. Er ist nie zu Fürst Donennach gekommen. Donennach musste immer zu ihm gehen.«
Vom Gang draußen waren Geräusche zu hören. Sie hielten im Sprechen inne und vernahmen Schritte, gedämpfte Tritte von Ledersohlen auf Holzdielen. Verängstigt stand das Mädchen auf und wartete, bis die Schritte verhallten.
»Ich muss gehen. Ich habe schon mehr gesagt, als ich wollte. Ich möchte keinen Ärger kriegen.«
»Dir kann keiner etwas anhaben, wenn du zu niemandem darüber sprichst«, beruhigte Fidelma das Mädchen. »Morgen in aller Herrgottsfrühe sind wir fort.«
An der Tür blieb Ciarnat stehen. »Solltest du jemals
Weitere Kostenlose Bücher