Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
gibt es ab der sechsten Stunde, Mittagessen zur zwölften und Abendessen zur achten Stunde nach Mittag.«
Sie ging an dem quadratischen Tisch vorbei, über dem ein achtarmiger Kerzenleuchter hing. Die Kerzen wurden aber nur an den hohen Festtagen angezündet, an gewöhnlichen Tagen mussten zwei Öllampen reichen.
Jana nahm die schmale Holztreppe ins nächste Stockwerk. Hier lagen ihr eigenes Schlafzimmer, das von Tomek und das ihres Onkels und der Tante. Sie stieg noch ein Stockwerk höher. Die Stufen waren nun von ungleicher Höhe, man musste aufmerksam sein, um nicht zu stolpern oder auf den abgetretenen Holzbrettern auszurutschen. Abrupt endete die Treppe, und Jana blieb vor einer niedrigen Tür stehen. Sie suchte nach dem passenden Schlüssel, steckte ihn in das verrostete Schloss und sperrte auf. Mit einem lauten Quietschen öffnete sich die Holztür. Jana trat ein, und damit war die Kammer auch schon voll. Neben dem Bett, einer Truhe und einem winzig kleinen Schreibpult blieb gerade noch Platz für eine Person. Doktor Pfeiffer musste den Kopf einziehen, um neben ihr noch Platz zu finden. Er stand so dicht bei ihr, dass es beinahe unschicklich war, aber es gab einfach keine Möglichkeit, auszuweichen.
»Hm.« Er warf einen Blick auf das frisch bezogene Bett. Jana konnte nicht deuten, was hinter seiner braungebrannten schmutzigen Stirn vor sich ging. »Die Kammer scheint sauber zu sein.«
»Sauber ist sie«, bestätigte Jana. Ihre Tante hatte am Vormittag eine Schale mit frischen Kräutern auf die Truhe gestellt, die eigentlich eine angenehme Mischung nach Rosmarin und Lavendel verströmten. Doch der liebliche Duft wurde vom scharfen Schweißgeruch des Gelehrten übertönt.
»Ich nehme die Kammer.«
»Ist sie Euch denn nicht zu klein?«
Doktor Pfeiffer schüttelte den Kopf. »Ich besitze nicht viel, und das, was ich habe, kann ich in der Kiste unter dem Fenster unterbringen.« Und schon trat er wieder auf die Treppe. Wie kam es, dass ein Arzt und Gelehrter sich mit einer derart ungenügenden Unterkunft zufriedengab?
»Was habt Ihr mit meiner Tante vereinbart?«, fragte Jana misstrauisch.
Der Mann drehte sich überrascht um. »Ihr wollt wissen, wie viel Miete ich für die Kammer bezahle?«
Jana zögerte, ihr lag eine andere Frage auf der Zunge. Sie hätte gern gewusst, ob es eine Vereinbarung bezüglich Patienten und Medikamentenverkauf gab. Aber die leuchtend blauen Augen irritierten sie erneut. Sie schluckte hart. Die Frage musste warten.
»Äh … nein«, sagte sie verlegen. »Ich wollte bloß wissen, wann Ihr die Kammer beziehen werdet.«
»Jetzt sofort!«
»Jetzt?« Die Frage wäre Jana fast im Hals steckengeblieben. »Das heißt, Ihr werdet heute Abend schon mit uns essen?«
»So war es vereinbart. Spricht etwas dagegen?«
Die Hühner, schoss es Jana durch den Kopf. Sie musste die verdammten Hühner noch füllen.
»Nein, natürlich nicht«, sagte sie und wünschte sich gleichzeitig ganz weit weg zu ihrem Vater nach Heidelberg. Der musste sich nicht mit Mietern, Heilsalben und Hühnern herumschlagen, sondern konnte sich auf seine Forschungsarbeit und seine Studenten konzentrieren. Jana hoffte inständig auf baldige Nachricht von ihm. Sie hatte ihm geschrieben, dass sie Tomek nicht heiraten und lieber zu ihm nach Heidelberg ziehen wolle. Sie könne dort in einer Apotheke arbeiten, schließlich habe sie eine abgeschlossene Ausbildung. Alles, was sie brauche, sei ein Zimmer bei ihrem Vater, damit sie als alleinstehende Frau nicht in Verruf kam.
Jana war fest davon überzeugt, dass sie nicht zu viel verlangte von einem Vater, der seit dem Tod ihrer Mutter immer unterwegs gewesen war. Es wurde Zeit, dass er endlich das tat, was er seit Jahren bloß versprach: sich um sie zu kümmern.
Janas Hände steckten bis zu den Handgelenken im Bauch eines gerupften Huhns, als es an der Hintertür klopfte.
»Ich komme gleich!«
Aber das Klopfen wurde dringlicher statt leiser.
»Pavlina, kannst du nachsehen, wer da ist?«
Das Mädchen hatte gerade Holz im Ofen nachgelegt, sein Gesicht war voller Ruß, und in den Mundwinkeln waren immer noch die Reste des Powidls zu sehen. Sie lief zur Tür. Jana hörte die unbekannte Stimme eines Mannes, ein Pferd wieherte und Pavlina lachte verschämt. Wahrscheinlich über einen dieser unanständigen Witze, wie sie Männer Mädchen wie Pavlina gerne erzählten. Schließlich wurde die Tür wieder geschlossen, und Pavlina kam zurück in die Küche.
»Es war ein Bote mit
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