Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
traurig den Kopf: »Ich kann mir ein Leben hinter einem Küchenherd nicht vorstellen.«
Bedrich seufzte schwer. »Was willst du tun? Ewig mit dem Arzt weiterreisen? Immer auf der Suche nach irgendeinem Teil einer Schrift, die vielleicht ebenso eine Fälschung ist wie die Seiten, die jetzt in Dijon liegen?«
Jana zuckte mit den Schultern. Sie kannte die Antwort selbst nicht.
»Ich weiß nicht, was ich will. Ich kann bloß sagen, was ich nicht will«, erwiderte sie ehrlich.
Traurig nickte Bedrich.
»Du hast mir nie versprochen, dass du mich heiraten wirst«, stellte er fest.
Jana antwortete nicht, sie legte ihm stattdessen tröstend die Hand auf den Oberarm. Er schüttelte sie nicht ab.
Nach einer schier endlosen Pause meinte Bedrich: »Du hast recht, Jana. Alles, was ich vom Leben will, ist gutes Essen kochen und Menschen damit für einen kurzen Moment glücklich machen. Und das immer und immer wieder. Ich habe so sehr gehofft, dass du das eines Tages auch willst. Ich dachte, wenn du siehst, wie großartig es ist, gut zu kochen, wirst du es auch wollen. Aber in den letzten Wochen habe ich einsehen müssen, dass dich das einfach nicht so interessiert wie mich. Jana, du bist anders. Ich weiß jetzt, dass ich dich nicht glücklich machen kann. Aber ich kann und will nichts anderes sein als ein Koch. Auch das ist mir klargeworden. Dieses Land ist wundervoll, und ich will nirgendwo sonst alt werden. Auch wenn es schwierig werden wird, die Sprache zu erlernen.«
Jana grinste und lehnte ihren Kopf gegen Bedrichs Schulter. Sie war dem alten Freund unendlich dankbar für das, was er eben gesagt hatte.
»Bedrich, du bist und bleibst mein wichtigster und engster Freund.«
Sein Lächeln fiel Bedrich sichtlich schwer.
»Das ist die denkbar undankbarste Rolle, die man einer schönen, klugen Frau gegenüber einnehmen kann.«
Jana schüttelte den Kopf: »Nein, Liebe kann vergehen, kann im Laufe der Jahre verblassen. Aber Freundschaft ist ein beständiger Wert. Etwas, das uns immer miteinander verbinden wird.«
»Du meinst, ich soll mich darüber freuen, dass du meine Liebe nicht erwiderst und mir einen Korb gibst?«, fragte Bedrich. Doch Jana erkannte, dass er sich längst damit abgefunden hatte. Vielleicht sogar schon in Prag.
»Nein, das meine ich nicht. Was ich dir sagen will, ist, dass ich dich sehr gerne habe und du immer einer der wesentlichen Menschen in meinem Leben bleiben wirst.«
»Liebst du den Arzt?«
Erschrocken rückte Jana ein Stück von Bedrich weg. »Wie kommst du denn auf diese Idee? Ich möchte mit ihm nach Bordeaux, weil ich wissen will, warum mein Vater sterben musste. Außerdem gefällt mir der Gedanke nicht, dass er allein ein Rätsel löst, zu dessen Lösung ich mindestens ebenso viel beigetragen habe wie er.«
Bedrich schien mit der Antwort zufrieden zu sein.
»Ich dachte bloß, weil Pfeiffer dir ständig so sehnsüchtige Blicke zuwirft.«
Irritiert schüttelte Jana den Kopf. Wovon redete Bedrich? Pfeiffer mochte sie nicht einmal sonderlich. In seinen Augen war sie ein Stück unnötiger Ballast, das er mitschleppen musste. Auch wenn er mittlerweile erkannt hatte, dass eine Reise allein weitaus gefährlicher war als zu zweit oder zu dritt, so war sie ihm doch immer noch lästig.
Janas Überlegungen wurden unterbrochen, denn in dem Moment stürzte Pfeiffer aufgeregt aus dem Gebüsch. Sein Haar war zerrauft, Blätter hatten sich darin verfangen, und es stand ihm so wild vom Kopf ab, als hätte er soeben einen Kampf hinter sich gebracht. Vor sich her schob er einen Jungen, dessen Arme am Rücken zusammengebunden waren. Der Bursche kam Jana bekannt vor. Er war hager, hatte ein schmales Gesicht und kluge, traurige Augen.
»Seht mal, was ich im Unterholz gefunden habe!«, rief Pfeiffer aufgebracht. »Der elende Wicht ist uns von Dijon aus gefolgt.«
Nun wusste Jana, woher sie den Jungen kannte. Er war der Klosterschüler, der sie und Pfeiffer zu Abt Nicola geführt hatte. Warum war er hier? Hatte er vom Abt den Auftrag bekommen, sie zu verfolgen? Jana wurde wütend.
Mit einem Satz sprang sie auf und rannte zu Pfeiffer und dem Jungen. Bedrich folgte ihr etwas gemächlicher.
»Er hatte es auf unsere Bücher abgesehen«, sagte Pfeiffer und versetzte dem Jungen einen derart heftigen Stoß, dass dieser stolperte und auf die Knie fiel. Er war wirklich noch ein Kind, nicht älter als zwölf Jahre, und jetzt zitterte er vor Angst.
Jana kniete sich zu ihm und sah ihm ins Gesicht. Es war so mager,
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