Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Welt gehen würde.«
»Von dem wir aber wissen, dass es nicht existiert«, erwiderte Conrad lächelnd.
»Ich werde dir Zugang zur Bibliothek verschaffen«, sagte Ferdinand. »Würdest du mir die Bücher bis morgen leihen? Ich möchte sie noch einmal genau studieren.«
»Selbstverständlich.« Conrad schob dem Freund Bücher, Karten und Janas Amulett über den Tisch. Der streckte die Hand danach aus und begann plötzlich und völlig unerwartet zu zittern. Auf seiner Oberlippe und seiner Stirn bildeten sich kleine Schweißtropfen, und er krümmte sich nach vorne.
»Ferdinand, was ist los?«, fragte Conrad besorgt. »Kann ich dir helfen?«
Doch der Freund schüttelte den Kopf. Mit unsicheren Fingern griff er in seine Jackentasche und holte eine kleine silberne Dose hervor. Er fischte sich eine kleine Kugel heraus, die er sich unter die Zunge legte, schloss die Augen und lehnte sich zurück.
Nach einer Weile sagte er erschöpft: »Die Krankheit ist wie eine Bestie, die mich immer dann attackiert, wenn ich es am allerwenigsten erwarte.«
Conrad brauchte nicht zu fragen, was der Freund da eben genommen hatte. Er wusste auch so, dass es ein Opiumkügelchen gewesen war. Ein Mittel, das ebenso heimtückisch war wie die Krankheit selbst, denn es machte den Patienten abhängig und zwang ihm nach jeder Schmerzattacke eine höhere Dosis auf.
Nach einer Weile entspannten sich Ferdinands Züge, und sein Gesicht bekam wieder etwas Farbe. Nun erst nahm er die Reisetagebücher entgegen und erklärte: »Dein Besuch ist das beste Geschenk der letzten Jahre. Im Moment bist du mein Jungbrunnen und meine Medizin. Ein großes Rätsel, ein sagenumwobener Schatz und zwei Bücher, die Geheimnisse bergen. Was braucht ein Wissenschaftler mehr, um den Lebenswillen nicht zu verlieren?« Er strahlte Conrad so lebhaft an wie vor fünfzehn Jahren. »Ich werde die Nacht in der Bibliothek verbringen. Das habe ich seit Jahren nicht mehr gemacht.«
»Viel Spaß«, sagte Conrad. Er würde die Nacht lieber neben Jana verbringen. Die beiden verabredeten sich für den nächsten Tag. Ferdinand erwartete Conrad und Jana in seinem kleinen Häuschen im Zentrum der Stadt, wo er gemeinsam mit einer Haushälterin seit einigen Jahren wohnte.
Mit jedem Schritt, den Conrad sich der Herberge näherte, wuchs seine Vorfreude. Was würde Jana sagen, wenn er ihr vorschlug, in die Neue Welt zu reisen? Sicher hatte sie nichts gegen das Abenteuer einzuwenden, wäre da nicht die endlos lange Reise auf dem Schiff. Ihm selbst war auch nicht besonders wohl bei dem Gedanken, wochenlang unterwegs zu sein und nichts zu sehen außer dem endlos weiten Horizont und Wasser, sehr, sehr viel Wasser.
Schwungvoll betrat er die Herberge und begrüßte Donna Antonia, die Vermieterin, die in der Stube saß und ihm freundlich zulächelte. Sicher hatte sich Jana schon in die Kammer zurückgezogen. Conrad nahm jeweils zwei der schmalen Holzstufen auf einmal, die Treppe knarrte unter seinen Tritten. Als er jedoch die Tür zur Kammer aufreißen wollte, war sie verschlossen. Sollte Jana sich etwa eingesperrt haben? Warum das denn?
Er klopfte: »Jana, mach bitte auf!«
Aber drinnen rührte sich nichts. Conrad klopfte und rief erneut, diesmal lauter. Wieder nichts.
Da kam die Vermieterin, eine elegante Frau, die zwar nicht mehr jung, jedoch immer noch sehr attraktiv war, die Treppe herauf. Sie schüttelte den Kopf und erklärte Conrad, dass Jana noch nicht zurückgekommen sei. Conrad sprach zwar kein Portugiesisch, aber er verstand sie dank seiner Lateinkenntnisse dennoch. Sie fragte ihn, ob er etwas essen wolle, doch Conrad lehnte ab. Er war nicht hungrig, sondern besorgt. Warum war Jana noch nicht zurück? Die Sonne war längst untergegangen, sein Gespräch mit Ferdinand hatte länger als erwartet gedauert, die Zeit war verflogen.
Wo konnte Jana sich jetzt wohl noch aufhalten? Ob sie in eine der Kirchen gegangen war? Möglich wäre es, Jana hatte manchmal die absonderlichsten Einfälle. Er beschloss, auf sie zu warten.
Conrad setzte sich aufs Bett, aber die Minuten vergingen nur schleppend. Er horchte auf jedes Geräusch, das von der Straße her in die Kammer drang. Jedes Mal, wenn er Schritte hörte, sprang er auf und schaute aus dem Fenster, um dann enttäuscht wieder aufs Bett zu sinken.
Als der Nachtwächter der Stadt die Lichter in den Straßen ausblies, hatte Conrad genug. Er hielt es in der Kammer nicht mehr aus, er musste hinaus, um Jana zu suchen. Unten wollte ihn die
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