Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Armbrust hinter einer Hausmauer wartete, um ihn zu erschießen, und ein dritter Mann Jana währenddessen ein Messer in den Bauch rammte.
Aber Conrad hatte keine Wahl, er musste in der Calle del Torre erscheinen, und zwar eine Stunde nach Mitternacht. Und er brauchte einen Plan.
Wieder lief Conrad durch die leeren Straßen der schlafenden Stadt, und er war heute nicht weniger aufgeregt als letzte Nacht. In seiner Tasche hatte er eines der ledergebundenen Bücher, das andere war noch bei Ferdinand. Conrad hatte vor, den Erpresser zu ködern, er wollte ihn dazu überreden, dass die Übergabe des zweiten Buchs samt Medaillon am Marktplatz Campo de Santa Clara stattfand.
»Wenn du ihm heute alles gibst, was er will, tötet er dich und Jana, sobald ihr ihm den Rücken zugekehrt habt«, hatte Ferdinand ihn gewarnt, und wahrscheinlich hatte er recht. Ob Conrad Jana heute zu Gesicht bekam? Wie es ihr wohl ging?
Es war Conrad nicht gelungen, das mysteriöse Leinensäckchen zu öffnen, schon die Vorstellung, ein Ohr oder einen Finger von Jana vor sich zu sehen, war ihm unerträglich. Er konnte nur hoffen, dass der Entführer ihr kein allzu grausames Leid zugefügt hatte oder sie gar … es gab tausend grausame Arten, eine Frau zu foltern. Und ebenso viele Phantasien, die den Mann einer entführten Frau quälen konnten.
Im Gegensatz zur letzten Nacht war der Himmel wolkenfrei, und der Mond warf kaltes Licht auf die Pflastersteine der Calle del Torre. Langsam ging Conrad die Straße entlang. Bis auf ein Messer war er unbewaffnet, denn was hätte ihm ein Schwert genutzt? Er war ein Mann der Wissenschaft und nicht des Kampfes. Jeder seiner Schritte hallte laut wider, aber niemand schien sie zu hören. Die Calle del Torre führte zum Hafen hinab. Hier gab es kaum Wohnhäuser, und in den wenigen windschiefen Hütten, die hier standen, lebten Menschen, die sich um das Leid anderer nicht kümmerten. Sie waren mit ihrem eigenen Elend beschäftigt.
Am Ende der Straße blieb Conrad stehen. Hatte er den Mann verpasst? Nervös sah er sich nach allen Richtungen um. Es war völlig still, nur das Gejammer einer Katze war zu hören.
Da sprang plötzlich ein dunkler Schatten hinter einem Bretterverschlag hervor. Der Schuppen war Conrad nicht aufgefallen, er war zu aufgeregt gewesen.
»Ihr habt Euch Zeit gelassen«, sagte eine raue Stimme hinter einer dunklen Kapuze.
»Ich bin die ganze Straße entlanggelaufen. Ich hatte keine Ahnung, wo Ihr auf mich wartet.« Conrad wollte gelassen klingen, aber es gelang ihm nicht. Seine Stimme zitterte. Es dauerte einen Moment, bis ihm auffiel, dass der Mann in seiner Muttersprache mit ihm redete.
Kalter Stahl blitzte im Mondlicht auf. Die Spitze einer messerscharfen Klinge richtete sich genau auf Conrads Kehle.
»Habt Ihr die Bücher dabei?«
»Wo ist Jana?«
»Sie hockt in dem Schuppen da, sobald Ihr mir die Bücher gebt, lasse ich sie frei.«
Conrad lachte verärgert auf. Der Mann hielt ihn wohl für einfältig und naiv.
»Ich habe bloß eines der Bücher dabei«, sagte Conrad, »damit Ihr Euch von der Echtheit überzeugen könnt.« Die Schwertspitze legte sich an Conrads Kehlkopf und bohrte sich spitz in die oberste Schicht seiner Haut. Schweißtropfen bildeten sich auf Conrads Stirn. Dennoch fuhr er fort: »Ich werde Euch morgen das andere Buch und das Schmuckstück geben. Aber nicht hier, sondern am Campo de Santa Clara, zur zehnten Stunde nach Mitternacht, wenn der Platz voller Menschen ist. Ein Freund wird das Buch und das Schmuckstück auf den Verkaufsstand des Gewürzhändlers Don Luque legen, sobald die Turmuhr von Santa Clara die zehnte Stunde geläutet hat. Und nur dann, wenn Jana zur gleichen Zeit vor dem Tor der Kirche steht.«
Der Mann mit der Kapuze lachte verärgert auf. »Wie soll ich denn gleichzeitig vor der Kirche und am Gewürzstand sein?«
»Denkt Euch etwas aus«, sagte Conrad. »Das zweite Buch und das Amulett sind derzeit an einem sicheren Ort verwahrt, auf den Ihr ganz gewiss keinen Zugriff habt. Wenn Ihr es haben wollt, müsst Ihr Euch an meine Bedingungen halten.«
»Ist Euch das Leben Eurer Geliebten so wenig wert? Reicht Euch der Inhalt des Leinensäckchens noch nicht? Wollt Ihr noch mehr Blut?«
Conrad zuckte zusammen. Was sich wohl in dem Säckchen befand?
Leise, aber mit sogar für ihn überraschend fester Stimme sagte er: »Janas Leben bedeutet mir mehr als alles andere auf dieser Welt. Aus diesem Grund, und nur aus diesem, habe ich Euch ein Angebot
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