Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Hals gefallen, doch sie wollte nicht zeigen, wie sehr sie sich freute. Mit bemüht gleichgültiger Stimme sagte sie: »Abgemacht, dann reisen wir gemeinsam.«
Tomek rülpste hart und laut, dann drehte er sich mühsam auf die Seite. Jana und Doktor Pfeiffer schlichen sich aus der Kammer.
Jana war so guter Laune, dass sie Radomila den Gefallen tat und Tomek eine leere Schüssel brachte. Geräuschlos stellte sie die Schüssel vor das Bett des schlafenden Mannes. Als sie wieder draußen am Gang stand, hörte sie, dass er sie auch sogleich benutzte.
Doktor Pfeiffer erklärte Jana am nächsten Morgen, er wolle noch in dieser Woche nach München aufbrechen. Prag sei für ihn uninteressant geworden, denn der Rektor der Universität habe ihm klar und deutlich erklärt, dass seine Anwesenheit nicht mehr erwünscht sei.
Jana wunderte sich trotzdem über die Eile und vermutete noch einen weiteren Grund hinter dem überstürzten Aufbruch. Vielleicht gab es in Prag eine Frau, der Pfeiffer das Herz gebrochen hatte? Jana wagte es nicht, ihn danach zu fragen. Bestimmt war sie die Allerletzte, der er ein persönliches Geheimnis anvertrauen mochte. Falls er überhaupt zu tieferen Gefühlen imstande war, würde er sie ganz sicher nicht mit ihr teilen.
Sie hatte schnell erkannt, dass der überstürzte Aufbruch ihr sehr entgegenkam. Auf diese Weise konnte sie nicht allzu lang darüber nachdenken, wie unvernünftig ihr Vorhaben war. Onkel Karel hatte viel Geld bezahlt, damit Jana ihre Ausbildung machen konnte, und noch ein weiteres erkleckliches Sümmchen, damit man sie in der Innung aufnahm. Einfach bei Nacht und Nebel das Haus des Onkels zu verlassen war undankbar. Aber Jana wusste, dass er ihr Fortgehen weder verstehen noch erlauben würde. Alles, was ihr blieb, war die Flucht.
Jana beschloss, dem Onkel einen ausführlichen Brief zu schreiben, und hofft darauf, dass er ihr eines Tages verzeihen würde. Dass Radomila und Tomek dazu nicht imstande wären, war ihr klar, aber wenn die beiden verletzt und wütend waren, bekam sie kein schlechtes Gewissen.
Als sie jedoch vor dem leeren Blatt saß, fiel ihr das Schreiben des Briefes schwerer als gedacht. Egal, wie sie ihr Fortgehen rechtfertigte, es lief immer auf eine Kränkung hinaus. Schließlich entschied sie sich, dem Onkel mitzuteilen, sie glaube nicht an die merkwürdige Krankheit ihres Vaters und wolle den wahren Grund seines plötzlichen Todes herausfinden. Karel hatte seinen Bruder sehr geliebt. Vielleicht konnte er Janas Wunsch nachvollziehen.
Als Nächstes überlegte Jana, wo sie das Geld für die Reise herbekam. Sie besaß ein paar Schmuckstücke, die ihrer Mutter gehört hatten, eine Goldkette mit kleinen, nicht besonders wertvollen Halbedelsteinen und zwei Silberringe. Jana hing an den Schmuckstücken, weil sie neben einer Haarspange aus Horn die einzigen Gegenstände waren, die ihr von ihrer Mutter geblieben waren. Schweren Herzens trug sie die Kette und die Ringe zum Goldschmied und verkaufte sie. Der alte Mann, ein Freund ihres Vaters, zeigte sich überrascht, stellte aber keine unangenehmen Fragen und gab Jana eine deutlich höhere Summe, als die Schmuckstücke wert waren.
Janas letztes Problem war nun, dass sie kein Pferd hatte. Der Einzige in der Familie, der ein so wertvolles Tier besaß, war Tomek. Jana bewunderte die Stute seit jeher. Wie oft hatte sie ihn gebeten, ihr das Tier für einen kleinen Austritt zu leihen, aber Tomek hatte jedes Mal abgelehnt. Meist hatte er behauptet, eine Frau könne ein so kostbares Tier nicht reiten. Natürlich hätte sie das Tier stehlen können, aber dazu fehlte ihr der Mut. Schlimm genug, dass sie ihn sitzenließ, ihm auch noch sein Pferd zu nehmen, erschien ihr herzlos. Doch was sollte sie tun? Die Zeit drängte, und der Doktor aus Wien hatte sehr deutlich erklärt, dass er Jana kein Pferd besorgen könne.
»Wenn Ihr unbedingt mitwollt, so müsst Ihr selbst für ein passendes Tier sorgen«, hatte er gesagt, und Jana hätte schwören können, dass er insgeheim hoffte, sie würde an dieser Aufgabe scheitern.
Aber Doktor Pfeiffer hatte Jana unterschätzt. Die Arbeit in der Apotheke hatte den Vorteil, dass man über den Klatsch und Tratsch in der Stadt immer bestens informiert war. Jana wusste, wer gerade krank oder schwanger war, wer sich bloß unwohl fühlte und wer im Sterben lag. Erst letzte Woche hatte ihr die Frau des Schusters erzählt, dass der Schmied tödlich verunglückt sei. Der Schmied und seine Frau waren
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