Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Katholiken und mit Bedrichs Vater eng befreundet gewesen. Im Moment ging ihr Geschäft schlecht, weil die meisten Prager zur protestantischen Konkurrenz gingen. Nun hatte die Witwe ein altes Pferd im Stall stehen, für das sie teures Futter kaufen musste. Eigentlich war das Tier nur noch für den Abdecker geeignet, aber die traurige Witwe brachte es nicht übers Herz, der Stute, die sie an ihren Ehemann erinnerte, das Gnadenbrot zu verweigern.
Kurz entschlossen begab sich Jana vor die Stadtmauer, wo sich die Werkstatt des Schmieds befand.
Das große hölzerne Tor zum Hof stand offen, und Jana trat ein. Aus der Werkstatt drang metallenes Hämmern. Der Sohn des Schmieds war gerade dabei, einen der wenigen Aufträge, die er derzeit bekam, auszuführen.
Frau Kovarik, die Witwe, hatte Jana von ihrem Küchenfenster aus gesehen und trat nun zu ihr auf den Hof. Ihre Hände waren voll Mehl, sie hatte gerade Knödelteig zubereitet.
»Jana Jeschek!«, sagte sie überrascht und wischte sich die Hände an der Schürze ab. Das Mehl hinterließ helle Flecken. »Das ist aber eine Überraschung. Was führt Euch zu uns?«
Jana erschrak beim Anblick der kleinen, rundlichen Frau. Solange sich Jana erinnern konnte, war Frau Kovarik eine lebenslustige Frau mit rundem Gesicht und einem kirschroten, stets lachenden Mund gewesen. Der Tod ihres Mannes hatte sie verändert. Ein Schatten lag nun auf ihrem Gesicht, die Wangen waren eingefallen und der Mund war blutleer und grau.
Jana drückte der Frau ihr aufrichtiges Beileid aus und umfasste die mehligen Hände. Sofort traten Tränen in die traurigen Augen der kleinen Frau.
»Es ging so plötzlich«, schniefte Frau Kovarik. »Jan ist aufs Dach gestiegen und wollte die losen Bretter befestigen, dabei ist er ausgerutscht und heruntergefallen. Ich bin sofort zu ihm gelaufen, aber er hat nicht mehr … geatmet.« Die letzten Worte gingen in Schluchzen unter.
Jana schluckte hart. Es kam ihr taktlos vor, die trauernde Frau um das Tier ihres verstorbenen Mannes zu bitten. Aber es half nichts, sie musste es tun. Schließlich brauchte sie ein Pferd.
Jana nahm ihren Mut zusammen. »Ich habe gehört, dass Ihr Probleme mit dem alten Pferd Eures Mannes habt.«
»Das stimmt.« Frau Kovarik nickte. »Mein Sohn hat schon zwei gesunde Pferde im Stall stehen, die uns ein Vermögen kosten. Ich kann es mir nicht leisten, die alte Stute von meinem Mann weiter durchzufüttern. Aber ich bringe es auch nicht übers Herz, sie zum Abdecker zu geben. Sie hat meinem Mann viele Jahre treu gedient, und sein Herz hat an dem Tier gehangen. Er wäre nie damit einverstanden gewesen, sie schlachten zu lassen. Er war ein gutmütiger Mensch mit einem weichen Herzen.« Wieder schniefte die Frau, und Jana hatte Angst, dass die Tränen erneut fließen würden.
Rasch stimmte sie der Schmiedwitwe zu: »Ja, Euer Mann war in der ganzen Stadt für seine Großzügigkeit bekannt.«
Bedrückt erwiderte Frau Kovarik: »Aber das hatte nicht nur Vorteile. Jetzt haben wir fast nichts auf der hohen Kante, weil mein Mann oft zu wenig für seine Arbeit verlangt hat, und ich sitze auf einem Berg Schulden und habe ein Pferd, das ich mir nicht leisten kann.«
»Könntet Ihr Euch vorstellen, mir die Stute Eures Mannes zu überlassen?«, fragte Jana vorsichtig. »Leider kann ich Euch nicht viel dafür geben.« Eigentlich gar nichts, dachte Jana, sprach den Gedanken aber nicht aus.
»Wozu braucht Ihr denn ein Pferd?«, fragte die Schmiedin. Für einen Moment war die Trauer weg, und Neugier machte sich auf ihrem Gesicht breit. »Euer Verlobter hat doch ein stattliches Ross.«
»Es ist nicht für Tomek.« Jana machte eine abwehrende Handbewegung. »Es ist für jemand anders, der …«, fieberhaft suchte sie nach den passenden Worten, »… für jemanden, der dringend ein Pferd braucht.«
Frau Kovariks Augenbrauen schossen in die Höhe. Jana konnte förmlich sehen, wie sich die Gedanken hinter der breiten Stirn jagten. »Die alte Stute ist nicht mehr zu viel zu gebrauchen. Sie lahmt, wenn sie weite Strecken laufen muss, wird rasch müde und bewegt sich im Schneckentempo. Niemand hätte mit dem Tier noch Freude«, sagte die Schmiedin.
»Für diese Person ist es wichtig, überhaupt ein Pferd zu haben. Manchmal ist es besser, langsam voranzukommen als gar nicht und, wie gesagt, leider verfügt die Person nicht über sehr viel Geld …«
Frau Kovarik kaute nachdenklich auf der Unterlippe, plötzlich hellte sich ihr Gesicht auf. Offensichtlich
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