Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
heiraten willst.«
Jana nickte begeistert. Genau das hatte sie sich erhofft. Auf diese Weise gewann sie nicht nur Zeit, sondern gelangte auch nach Dijon.
»Was haltet Ihr von dem Vorschlag, zu dritt zu reisen?«, fragte sie den Arzt.
»Nichts würde mich mehr freuen«, sagte er, und seine türkisblauen Augen blitzten belustigt auf. Der Rest seiner Mimik verriet nicht, was er tatsächlich dachte, aber Jana vermutete, dass er innerlich den Kopf über sie schüttelte, so wie immer.
»Dann ist es abgemacht?«, fragte sie vorsichtig. Die beiden Männer nickten, und Jana griff erleichtert nach Bedrichs Bierkrug, um einen kräftigen Schluck daraus zu trinken. All die Grübeleien der letzten Stunden waren unnötig gewesen, denn auf so eine wunderbare Wende hatte sie nicht im Entferntesten zu hoffen gewagt. Umso zufriedener war sie jetzt. Jana nahm noch einen Schluck vom Bier, es hatte ihr noch nie so gut geschmeckt.
Bedrichs Vater hatte sich sehr über Janas unerwartete Ankunft gefreut. Er sah in ihr seine zukünftige Schwiegertochter und gab ihr und ihrem heldenhaften Begleiter die zwei schönsten Kammern im Gasthaus. Es verstand sich von selbst, dass sie dafür nicht bezahlten und zusätzlich mit dem allerfeinsten Essen der Küche versorgt wurden.
Während Pfeiffer allein durch die Stadt zog, ohne zu berichten, was er dort tat, wusch Jana ihre Kleidung und kaufte am Markt eine zusätzliche Decke, die sie im Notfall auch als Mantel verwenden konnte. Der Weg würde sie über die Berge führen, die massiv und bedrohlich im Südwesten lagen. Es hieß, dass es dort auch im Hochsommer sehr kalt sein konnte.
Pfeiffer hingegen kam von jedem nachmittäglichen Spaziergang mit einem Buch oder einer Landkarte zurück. Jana hatte den Eindruck, dass der Arzt schon einmal in München gewesen war und vielleicht alte Bekannte traf, aber genauso wenig wie über sonst irgendein Ereignis aus seiner Vergangenheit sprach er von früheren Besuchen in der Stadt. Jana hütete sich, ihn danach zu fragen. Den Mann umgab eine unsichtbare Mauer, die niemand durchbrechen durfte, am allerwenigsten Jana, auch wenn sie ahnte, dass dahinter eine Menge Geheimnisse lagen. Natürlich hätte es sie brennend interessiert, was der Arzt verborgen hielt, aber zurzeit war sie so mit sich selbst beschäftigt, dass sie keine Versuche anstellte, ihn zum Reden zu bringen. Außerdem war der Wissenschaftler so freundlich und zuvorkommend wie noch nie zuvor und hielt sogar seine sarkastische Zunge im Zaum. Diesen Zustand wollte Jana so lange wie möglich erhalten.
Wenn sie nicht gerade Bedrich in der Küche half, lief sie mit staunenden Augen durch die Stadt, bewunderte die kleinen Fachwerkhäuser, die imposanten Kirchen und die Isar, die mitten durch München floss, fast wie die Moldau durch Prag. Das Lieblingsessen der Leute hier waren Würste, die man überall in den unterschiedlichsten Formen kaufen konnte. Am liebsten hätte Jana sie alle probiert, aber meist war ihr Magen schon nach einer voll.
Hinter der Residenz, dem Sitz des Herzogs, einem imposanten Schloss mit hohen, schlanken Fenstern und vergoldeten Reliefs, erstreckte sich ein großzügig angelegter, herrlicher Garten mit seltenen Pflanzen, Sträuchern und dunkelrot blühenden Rosen. Leider war er nur dem Herzog und seiner Familie vorbehalten. Aber Gerüchten zufolge plante man hinter den herzoglichen Gärten, dort, wo die Isar floss, einen riesigen Park für das Volk. Bedrichs Vater hatte erzählt, derzeit fehle dem Herzog noch das Geld für die Umsetzung des Plans, aber er war fest davon überzeugt, dass dieser Park bloß eine Frage der Zeit war.
Jana genoss es, am Isarufer entlangzulaufen, den Wasservögeln und den Kindern beim Planschen und Schwimmen zuzusehen und sich in dem Gefühl zu sonnen, ganz weit weg von Prag zu sein.
Kurz nach dem Mittagessen an ihrem vierten Tag in München stürzte Bedrich aufgeregt zur Wirtshaustür herein. Sein Gesicht war rot vor Aufregung, und er war völlig außer Puste.
»Wir können morgen schon aufbrechen!«, rief er mit Begeisterung in der Stimme.
Jana sah fragend zu ihm auf.
»Eine Schauspielergruppe, die jedes Jahr über die Berge in den Westen zieht, ist bereit uns mitzunehmen.«
»Schauspieler?«, fragte Pfeiffer skeptisch. »Ihr meint Männer, die in Frauenkleider schlüpfen und vor Publikum merkwürdige Verse zum Besten geben?«
Bedrich nickte begeistert. »Ja, sie sind großartig. Ihr könnt ihnen in einer Stunde auf dem Platz vor der Residenz
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