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Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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nachts ihr gehörte. Die Schauspieler erkannten rasch Bedrichs Talent, und alle waren sich einig, dass sie noch nie so vorzüglich bekocht worden waren. Er schaffte es, selbst aus spärlichsten Zutaten ein köstliches Mal zu zaubern. Und da niemand darin fahren wollte, wurde ihr buntbemalter Wagen kurzerhand zum Verpflegungswagen bestimmt. Eigentlich diente die klapprige Holzkiste auf vier Rädern dazu, Requisiten zu transportieren. Der Esel, der den Wagen gezogen hatte, war krank geworden und in München gestorben. Sein Tod hatte es Jana, Bedrich und Pfeiffer erst ermöglicht, im Tross der Schauspielgruppe mitzureisen.
    Und so schlief Jana zwischen riesigen Pfannen, Töpfen, Würsten, getrockneten Pilzen, Zwiebeln und Knoblauch, umgeben von roten Samtvorhängen und goldenen Kronen aus Papier. Wenn sie sich im Schlaf umdrehte, geschah es oft, dass sie an einen Topf stieß oder mit dem Gesicht direkt neben einem eingelegten Hering oder einem Holzschwert landete.
    Trotz der Unannehmlichkeiten genoss sie die Reise. Sie mochte die Schauspieler, die ein bunt zusammengewürfelter Haufen waren. Jeder einzelne von ihnen hatte eine mehr oder weniger fragwürdige Vergangenheit.
    Der Leiter der Schauspieltruppe war Antonio. Er stammte aus dem Süden, aus der Nähe von Ancona, hatte dunkle, wettergegerbte Haut und schulterlanges schwarzes Haar, das von silbergrauen Strähnen durchzogen war. Er schielte ein wenig, was ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. Antonio hatte bereits ganz Europa bereist, es gab keinen Fleck, den er nicht kannte. Er bestimmte die Reiseroute und auch die Orte, an denen Auftritte stattfanden. Er war der Älteste der Gruppe, alt genug, um Janas Vater zu sein. Mit ihm im Wagen fuhr Michael, ein dürrer Junge, den Antonio in Aachen vor der Stadtwache gerettet hatte. Man hätte Michael wegen Diebstahls eines Stück Brots vor den Stadtrichter gebracht, wäre Antonio nicht rechtzeitig eingeschritten und hätte dem bestohlenen Händler eine unverschämt hohe Summe für das Brot bezahlt.
    Im Wagen hinter Antonio und Michael fuhren Kasper und dessen Mutter Rosa. Kasper war nicht wie andere Menschen. Er war klein und stämmig, hatte ein flaches Gesicht, auffallend schräg stehende, mandelförmige Augen und eine kleine, platte Nase. Seine Hände waren im Vergleich zum Körper winzig, dafür war seine Zunge zu groß für seinen Mund. Vielleicht war das der Grund, warum er nur in einfachen Sätzen sprach und sehr langsam war. Ständig tropfte ihm Speichel in einem dünnen Rinnsal aus dem Mund. Er konnte stumme Rollen übernehmen, für Sprechrollen war er ungeeignet. Meistens half er den Schauspielern beim An- und Ausziehen und baute die Kulissen auf und trug sie wieder weg, denn er war außergewöhnlich kräftig. Außerdem hatte er ein sonniges Gemüt und konnte mit seinem Lachen alle anstecken. Rosa, eine wunderschöne, stolze Frau mit langem blonden Haar und feinen Gesichtszügen, beschützte ihren Sohn und achtete darauf, dass niemand ihn beleidigte oder verletzte. Sie und Antonio standen in einer nicht ganz durchschaubaren Beziehung zueinander. Jana fand nie heraus, ob sie eigentlich ein Paar waren, aber sie mochte beide.
    Und dann war da noch Ludwig, ein leidenschaftlicher Schauspieler, der die Stücke aussuchte und die Sprechrollen mit den Schauspielern einstudierte. Er legte Wert auf hohes Niveau. Jana kannte einige der Werke, die er spielen ließ, aus der Bibliothek ihres Onkels. Karel hatte sie damals gezwungen, einige Theaterstücke zu lesen. So stammte das erste Stück, das sie sah, von Dante Alighieri und ein weiteres von Francesco Petrarca. Aber Ludwig hatte auch neuere Werke in seinem Repertoire. Sein Lieblingsdichter war ein Engländer, den Jana nicht kannte, ein gewisser William Shakespeare. Sie hatte den Namen nie zuvor gehört, genauso wenig wie den des Spaniers Miguel de Cervantes. Aber Ludwig konnte nicht nur Jana, sondern auch sein gesamtes Publikum mit diesen Stücken begeistern. Der schmale Michael, dessen Gesicht so fein geschnitten war wie das eines jungen Mädchens, übernahm die Frauenrollen, und wäre seine Stimme nicht eine Spur zu tief gewesen, hätte jeder ihm die schöne junge Frau ohne weiteres abgenommen.
    Den größten Erfolg feierte die Truppe in der Fuggerei zu Augsburg. Antonio und die anderen kannten diese ungewöhnliche Siedlung, wo die Ärmsten der Stadt wohlversorgt leben konnten. Doch für Jana und ihre beiden Begleiter war sie neu.
    Die Schauspieler durften an drei

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