Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
wo die katholische Kirche an Einfluss verlor, mussten sich die Künstler andere Auftraggeber suchen und fanden sie in reichen Kaufleuten und Bürgern.
Langsam trocknete die nasse Kleidung wieder. Aus der Küche drangen das Klappern von Töpfen und die verlockenden Gerüche von südländischen Kräutern in die Stube.
Der Wirt, ein kleiner Mann mit einem stattlichen Bauch, bat sie stolz lächelnd in die Küche. Er führte sie zu zwei Töpfen, hob einen Deckel nach dem anderen hoch und ließ sie schnuppern. Bedrich schloss die Augen und begann so laut zu seufzen, dass Jana schon fürchtete, er würde vor Begeisterung in Ohnmacht fallen. In einem Topf war Lapereau à la moutarde, Kaninchen in Senfsoße, und im anderen Poulet à la crème, Hühnchen in süßer Rahmsoße. Beides roch vorzüglich. Jana entschied sich für das Hühnchen, Pfeiffer für das Kaninchen, und Bedrich wollte beides kosten. Der Wirt nickte zufrieden und schickte sie zurück in die Wirtsstube.
Wenig später brachte er ihnen volle, dampfende Schüsseln aus glasiertem dunkelroten Ton, einen Krug mit Wein und einen weiteren Krug mit Wasser.
Bedrich schenkte sich etwas Wein ein und verdrehte die Augen vor Entzücken. »Dieser Geruch. Ist das nicht himmlisch? Erdig, blumig und fruchtig zugleich.«
Jana schenkte sich ebenfalls ein, roch an ihrem Becher und meinte nüchtern: »Rotwein.«
Pfeiffer nahm mit Wasser vorlieb, schüttelte den Kopf und widmete sich seinem Kaninchen. Es war ihm anzusehen, dass er lieber allein unterwegs gewesen wäre.
Bedrich beugte sich über die Schüssel, schloss die Augen und sog genießerisch den Duft ein. Dann griff er fast feierlich nach dem Löffel. Langsam, so als vollziehe er ein geheimes Ritual, führte er ihn zum Mund, schloss erneut die Augen und kaute andächtig.
»Das ist das beste Kaninchen, das ich je gegessen habe«, sagte er schließlich. Bei jedem Bissen rollte er verzückt die Augen und zählte die Gewürze auf, die er zu erkennen glaubte.
»Es ist der Senf, der diese Soße so unwiderstehlich macht!«, sagte er schließlich. »Ich brauche unbedingt das Rezept.«
Auch Jana genoss ihr Hühnchen, aber im Moment beschäftigten sie ganz andere Fragen. Sie wandte sich an Pfeiffer.
»Zunächst müssen wir erfahren, ob sich das Buch oder Manuskript überhaupt in dem Collège befindet«, sagte sie bestimmt.
Pfeiffer erwiderte: »Ich glaube nicht, dass man uns das verraten wird. Es handelt sich um ein äußerst wertvolles Schriftstück, das man aus Sicherheitsgründen hierhergeschickt hat. Man wird es an einem geheimen Ort versteckt halten, von dem nur zwei oder drei Personen wissen. Und alle haben den Auftrag, über Manuskript und Versteck eisern zu schweigen.«
Jana stimmte dem Arzt zu und meinte: »Es muss uns gelingen, den Abt davon zu überzeugen, dass er im Besitz einer Fälschung ist und wir das Original besitzen.«
»Wie wollt Ihr das anstellen?«, fragte Pfeiffer, wischte sich mit dem Handrücken den Mund ab und trank einen Schluck Wasser.
»Wir denken uns eine Geschichte aus. Am Ende muss der Abt glauben, dass es zu einer Verwechslung gekommen ist und wir ihm einen großen Gefallen tun, wenn wir ihm das Original verkaufen und die Fälschung mitnehmen.«
Pfeiffer starrte Jana an, dann schenkte er sich ebenfalls Wein in den Becher und trank.
Bedrich hatte von dem Gespräch der beiden kaum etwas mitbekommen. Er stand auf und schob laut seinen Stuhl zurück. »Ich gehe jetzt in die Küche und versuche dem Wirt das Rezept für die Senfsoße zu entlocken.«
Jana nickte unbeteiligt. Kaum dass Bedrich in der Küche war, beugte sich Pfeiffer zu ihr über den Tisch.
»Was wollt Ihr dem Abt anbieten?«, fragte er vorsichtig. Sein Gesicht war nur eine Handbreit von ihrem entfernt. Sie konnte die türkisblauen Sprenkel in seinen Augen sehen, die selbst im Halbdunkel der Wirtsstube unglaublich leuchteten. »Doch hoffentlich nicht den ersten Teil des Reisetagebuchs?«
»Nein, natürlich nicht!«, sagte Jana und kaute auf ihrer Unterlippe.
Nach einer kurzen Pause sagte sie: »Wir beide wissen, dass Ihr eine Schrift besitzt, die sich dafür hervorragend eignet. Und falls Ihr keine anderen Pläne damit habt, wäre sie das perfekte Tauschobjekt.«
»Ihr wollt dem Abt die Pergamentseiten anbieten, die Ferdinand und ich gemalt haben?«, fragte Pfeiffer entsetzt. Er lehnte sich zurück und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. »Ich habe die Seiten aus dem Clementinum gestohlen, weil ich nicht als
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