Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)
Geschichte auftischen werden.«
Bedrich sah ihn verwirrt an, aber Jana berührte beruhigend seinen Oberarm. »Bestell uns eine doppelte Portion von der Medizin, äh, ich meine, vom Likör.«
Dagegen hatte Bedrich nichts einzuwenden.
Das Collège des Godrans lag im Zentrum der Stadt und machte einen düsteren Eindruck, was zum einen daran lag, dass es immer noch regnete, und zum anderen, dass das Gebäude so hoch und die Gasse so eng war. Vor den spitz zulaufenden Rundbogenfenstern befanden sich schmiedeeiserne Gitter, die vor unliebsamen Eindringlingen schützen sollten. Eine massive Mauer aus rotgelbem Sandstein umgab das Gebäude und ließ an eine Trutzburg aus dem frühen Mittelalter denken. Man konnte sich gut vorstellen, dass hinter diesen Mauern nicht nur Bücher und Studenten, sondern auch Geheimnisse verborgen waren. Eine hohe Tür aus kunstvoll verziertem Holz, in der sich wiederum eine kleinere Tür befand, bildete den Eingang. Jana vermutete, dass bloß die kleine Tür geöffnet wurde, um Besucher einzulassen. Auf diese Weise stellte man sicher, dass nie mehr als einer zugleich eintrat.
Unbeobachtet konnte man dieses Gebäude weder betreten noch verlassen, denn rechts neben der Tür saß in einem winzigen Kämmerchen ein Mönch, der Besucher hereinließ und wieder hinausbegleitete. Jana konnte ihn durch das vergitterte Fenster neben der Tür sehen.
Sie beneidete die Studenten nicht, die sich innerhalb dieser Mauern wie Gefangene fühlen mussten.
»Wir gehen genau nach unserem Plan vor«, sagte Pfeiffer.
Jana und Bedrich nickten.
Ihr »Plan« war in Wirklichkeit nicht mehr als eine wahnwitzige Idee, entwickelt bei Rotweinbirnen und Crème de Cassis. Jana und Pfeiffer wollten um ein Gespräch mit dem Abt bitten, um ihn davon zu überzeugen, dass er einem Betrüger auf den Leim gegangen war und sich nun im Besitz einer Fälschung befand. Dann wollten sie dem Abt das Original abluchsen, ihm Pfeiffers Pergamentbögen geben und dem Oberhaupt des Klosters noch einen Batzen Geld dafür abnehmen.
Wenn alles klappte, dann würden sie in ein paar Stunden wieder bei Bedrich in der Wirtsstube sitzen, denn der wollte vor dem warmen Kamin auf sie warten. Natürlich gab es viele Unwägbarkeiten, die das Unternehmen gefährden konnten. Was, wenn das Manuskript nie im Kloster angekommen war? Oder wenn der Abt das Original kannte und genau wusste, dass Jana und Pfeiffer ihn anlogen? Die Liste hätte sich beliebig fortsetzen lassen. Aber Jana wollte nicht darüber nachdenken.
Sie sagte zu Bedrich, der es sich nicht hatte nehmen lassen, Jana und den Arzt zum Kloster zu begleiten: »Wenn wir bis morgen Mittag nicht zurück sind, musst du ins Collège kommen und nach uns suchen.«
Bedrich brummte: »Du solltest wirklich nicht mit dem Arzt dort hineingehen. Ich fände es nach wie vor besser, wenn ich ihn begleiten würde.« Anscheinend hoffte Bedrich immer noch, Jana von ihrem Vorhaben abhalten zu können.
»Ach, Bedrich«, seufzte Jana. »Wir haben doch alles genau besprochen. Allein zu gehen ist für ihn zu gefährlich, und falls wirklich etwas schiefgehen sollte und ihr beide festgehalten werdet, wie soll ich mir dann als Frau Eintritt ins Jesuitenkloster verschaffen, um euch zu befreien?«
Nur widerwillig nickte Bedrich. Ob Mann oder Frau, wenn die Jesuiten beschlossen, jemanden nicht einzulassen, dann blieb er auf der Straße stehen.
»Aber bitte versprecht mir, dass Ihr vorsichtig seid.«
Pfeiffer verzog das Gesicht. »Auch wenn Ihr es nicht glauben wollt, ich hänge an meinem Leben, und ich nehme an, das gilt auch für Jana.«
Damit nahm er Jana bei der Hand und zog sie zum Eingangstor des Klosters.
»Wir treffen uns in wenigen Stunden im Gasthaus. Trinkt nicht zu viel vom Crème de Cassis!«
»Ich werde mich bemühen.« Bedrich sah den beiden nach. Pfeiffer klopfte an die kleine Tür, sprach kurz mit dem alten Mönch an der Pforte, und wenig später wurden er und Jana von einem Klosterschüler, der eigentlich noch ein Kind war, ins Innere des Gebäudes geführt.
Als die Tür sich hinter ihnen geschlossen hatte, wandte Bedrich sich um und begab sich zurück zum Gasthaus. Trotz der Aussicht auf ein weiteres Gespräch mit dem Wirt über die Küche der Region war er unruhig und nervös. Ihm war flau im Magen. Eigentlich hatte er die ganze Sache mit den gestohlenen, gefälschten oder doch wertvollen Manuskripten immer noch nicht ganz verstanden, aber er ahnte, dass Jana sich gerade in große Gefahr begab.
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