Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Sündenbuch: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
Vom Netzwerk:
Und gegen seine Angst half nicht einmal die köstliche süße Medizin aus schwarzen Johannisbeeren.
    Pfeiffer sprach fließend Latein, denn das war die Sprache, in der an allen Universitäten gelehrt wurde. Die meisten wissenschaftlichen Bücher waren in der Sprache der alten Römer geschrieben, und sie ermöglichte einem Wissenschaftler aus England, sich mit einem aus Spanien oder Frankreich zu unterhalten oder mit ihm Briefe zu wechseln, ohne ein Wort der jeweiligen Landessprache zu verstehen. Jetzt sprach Pfeiffer den alten Jesuiten in seinem Kämmerchen neben dem Eingang auf Latein an und erklärte zuerst ihm und dann auch dem Klosterschüler, dass er den Abt in einer dringenden Sache sprechen müsse. Der vielleicht zwölfjährige Junge, der aufgeweckt schien und ein feingeschnittenes, aber etwas zu mageres Gesicht hatte, wollte neugierig wissen, was denn so dringend sei. Doch Pfeiffer weigerte sich, weitere Erklärungen abzugeben. Er erinnerte den Klosterschüler daran, dass der Alte am Eingang ihm den Auftrag erteilt hatte, sie zum Abt zu bringen. Widerwillig nickte der Junge. »Kommt mit.«
    Völlig geräuschlos huschte er über die großen Steinfliesen der Vorhalle davon. Überrascht über die Eile zog Pfeiffer Jana hinter sich her.
    Während sie dem Jungen folgten, ließ er ihre Hand los und flüsterte: »Das läuft ja wie am Schnürchen. Wenn es weiter so problemlos geht, sind wir in wenigen Wochen in Bordeaux und haben alle drei Teile in unseren Händen.«
    Beim Namen Bordeaux zuckte der Klosterschüler vor ihnen zusammen.
    »Pst!«, machte Jana mahnend. Sie konnte weder Pfeiffers Optimismus noch seine Sorglosigkeit teilen.
    »Der Junge versteht uns nicht. Er spricht kein Deutsch«, sagte Pfeiffer leise und beeilte sich, den Schüler einzuholen, der mit schnellen Schritten den Flur entlangging. Jana musste ihre Röcke schürzen, um mit den beiden mitzuhalten.
    Der Junge marschierte zu einer breiten Tür, die offen stand, und betrat einen ruhigen Innenhof. Hier befand sich die Kapelle des Klosters. Ein viereckiger Glockenturm mit hohen Rundbogenfenstern diente zugleich als Eingang zum Gotteshaus. Durch das offene Eingangstor drang der Gesang hoher Männerstimmen. Die kalte, modrige Luft aus dem düsteren Gebäude jagte Jana einen Schauder über den Rücken. Sie fand sowohl die Musik als auch den muffigen Geruch furchteinflößend. Der Klosterschüler schien ähnlich zu empfinden, mit deutlichem Abstand lief er vorbei und rasch weiter zu den kunstvoll verzierten Arkaden eines Kreuzgangs.
    Hier lag das Zentrum und Herz des Klosters. Jana bewunderte den begrünten Innenhof zu ihrer Rechten. Üppig blühende Kräuterbeete verströmten einen betörenden Duft. Zwischen den Beeten lagen schmale weiße Kieswege, die zur Meditation einluden. Aber der Junge nahm keinen der Kieswege, sondern ging zielstrebig auf eine niedrige Holztür zu, öffnete sie und trat ein. Augenblicklich drang ihnen Essensgeruch entgegen.
    »Im Untergeschoss befindet sich die Küche«, erklärte der Junge entschuldigend. Er sprach ebenfalls fließendes Latein. »Der Koch hat heute Fischeintopf gemacht. Der Geruch wird uns noch Tage verfolgen, denn der Mann versteht sein Handwerk nicht.«
    »Es gibt Unangenehmeres«, meinte Pfeiffer beruhigend, aber der Klosterschüler schien anderer Meinung. Er schüttelte den Kopf und stieg eine breite Steintreppe empor ins obere Stockwerk. Vor einer schlichten Tür aus dunklem Holz blieb er stehen, klopfte zaghaft und trat ein, ohne auf eine Antwort zu warten. Mit einer Geste bat er Jana und Pfeiffer um Geduld und verschwand in der Kammer.
    »Ist Euch aufgefallen, dass der Junge bei der Erwähnung von Bordeaux zusammengezuckt ist?«, fragte Jana leise.
    »Ich glaube, das habt Ihr Euch bloß eingebildet.«
    Jana konnte nicht mehr antworten, denn in dem Moment öffnete sich die Tür.
    »Abt Nicola ist bereit, Euch zu empfangen«, sagte der Junge. Auf seinem Gesicht hatten sich hektische rote Flecken gebildet, er schien den Mann in der Kammer zu fürchten. Er hielt die Tür auf, und Jana betrat vor Pfeiffer den spärlich möblierten Raum.
    Die Kammer war lediglich mit einem schmalen Schreibtisch, einem Stuhl, auf dem der Abt saß, zwei Hockern und einem schlichten Holzkreuz an der Wand ausgestattet. Die Luft war wie ein eisiger Hauch, und das konnte nicht am kühlen Regen draußen liegen. Jana vermutete, dass es hier auch dann kalt und frostig war, wenn die Sonne freundlich strahlte.
    Abt Nicola passte in

Weitere Kostenlose Bücher