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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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Konfitüre an, gab ihnen eilig Feuer, wenn sie rauchen wollten, doch trotz aller Aufforderungen wollte sie sich um keinen Preis hinsetzen. Sie sagte »Ja« und »Nein« und »Wie es Ihnen beliebt«. Und als eine der Damen ihr Tuch auf den Fußboden fallen ließ, stürzte sie eilfertig hin, um es aufzuheben.
    Eines der Mädchen, eine Dicke mit Baßstimme, deren Gesicht nur aus einem Paar roter Wangen zu bestehen schien, zwischen denen die Andeutung einer Stupsnase drollig hervorlugte und deren schwarze Äuglein wie Rosinen blitzten, musterte Ljubka die ganze Zeit von Kopf bis Fuß wie durch ein eingebildetes Lorgnon mit nichtssagendem, aber verächtlichem Blick. Ich habe ihr doch keinen weggeschnappt, dachte Ljubka bedrückt. Ein anderes Mädchen jedoch war so taktlos, daß sie – für sich selbst vermutlich zum erstenmal, für Ljubka zum hundertstenmal – ein Gespräch darüber begann, wie Ljubka auf den Weg der Prostitution geraten sei. Es war ein nervöses, blasses Fräulein, sehr hübsch, zart, mit lauter hellblonden Locken, sie sah aus wie ein verwöhntes Kätzchen und trug sogar ein rosa Katzenbändchen um den Hals.
    »Aber sagen Sie, wer war denn der Schurke … der als erster … nun ja, Sie verstehen?«
    Ljubka stellte sich flüchtig ihre früheren Freundinnen vor – Shenka und Tamara, die so stolz und kühn und klug waren, oh, viel klüger als diese Mädchen hier! –, und plötzlich sagte sie, für sich selbst beinahe überraschend, mit Schärfe: »Es waren viele. Ich hab's schon vergessen. Kolka, Mitka, Wolodka, Serjoshka, Shorshik, Troschka, Petka und auch noch Kuska und Guska mit ihrer Truppe. Warum interessiert Sie denn das?«
    »Ja … das heißt, nein … also ich, als Mensch, der Ihnen volle Anteilnahme entgegenbringt.«
    »Und haben Sie denn einen Liebhaber?«
    »Verzeihung, ich verstehe nicht, wovon Sie sprechen. Herrschaften, wir müssen gehen.«
    »Wieso verstehen Sie nicht? Haben Sie schon einmal mit einem Mann geschlafen?«
    »Kollege Simanowski, ich hätte nicht gedacht, daß Sie uns zu solch einer Person führen. Danke. Sehr lieb von Ihnen!«
    Nur der erste Schritt war Ljubka schwergefallen. Sie gehörte zu jenen Naturen, die lange dulden, aber dann schnell explodieren, und in diesem Augenblick war sie, die sonst so Schüchterne, nicht wiederzuerkennen.
    »Ich weiß Bescheid!« rief sie zornig. »Ich weiß, daß Sie nicht besser sind als ich! Aber Sie haben Papa und Mama, Sie sind versorgt, und wenn es sein muß, treiben Sie auch ein Kind ab – das machen viele! Aber wären Sie an meiner Stelle – nichts zu fressen, und das kleine Mädchen versteht noch gar nichts, kann nicht mal lesen und schreiben, und von allen Seiten bedrängen es die Männer wie geile Böcke –, dann wären Sie auch im Bordell gelandet! Sie sollten sich schämen, dermaßen über ein armes Mädchen herzuziehen. So!«
    Simanowski saß in der Klemme, er sprach ein paar allgemeine begütigende Worte mit solch bedachtsamer Baßstimme, wie in alten Komödien vornehme Väter reden, dann führte er seine Damen von dannen.
    Doch ihm war es bestimmt, in Ljubkas Leben in der Freiheit noch eine weitere Rolle zu spielen, eine sehr schändliche, schwere und zugleich die letzte Rolle.
    Schon lange hatte sie sich bei Lichonin darüber beklagt, daß Simanowskis Gegenwart ihr lästig sei, doch Lichonin nahm das Weibergeschwätz nicht ernst: zu stark war er im hypnotischen Banne dieses befehlsgewohnten Phrasendreschers. Es gibt Einflüsse, denen man sich schwer, fast gar nicht entziehen kann. Andererseits war Lichonin das Zusammenleben mit Ljubka schon längst zur Last geworden. Oft dachte er im stillen: Sie verdirbt mir mein Leben, ich werde niederträchtig und dumm, ich löse mich in törichter Tugendhaftigkeit auf; es wird darauf hinauslaufen, daß ich sie heirate, daß ich Akziseneinnehmer oder Waisengerichtsbeamter oder Pädagoge werde, Bestechungsgelder nehme, zu intrigieren anfange und ein Provinzmuffel bleibe. Wo sind meine Träume von der Macht des Geistes, von der Schönheit des Lebens, von allgemeiner Menschenliebe und großen Taten? Das sprach er zuweilen sogar laut aus und raufte sich die Haare. Und so kam es, daß er, anstatt Ljubkas Klagen gründlich zu prüfen, außer sich geriet, schrie, mit den Füßen stampfte, und die geduldige, demütige Ljubka verstummte und ging in die Küche, um sich auszuweinen.
    Immer häufiger sagte er jetzt nach Streitigkeiten, wenn sie sich wieder versöhnten, zu ihr: »Meine liebe Ljuba,

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