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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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wir passen nicht zueinander, versteh das doch. Schau: Hier hast du hundert Rubel, fahr nach Hause. Deine Verwandten nehmen dich bestimmt gut auf. Lebe erst mal, sieh dich um. Ich hole dich in einem halben Jahr wieder, inzwischen kannst du zur Ruhe kommen, und alles Schmutzige, Gemeine, das die Stadt dir angetan hat, wird vergeben und vergessen sein. Dann fängst du selbständig ein neues Leben an, ohne Unterstützung, allein und stolz!«
    Aber was kann man schon tun mit einer Frau, die zum erstenmal – und wie ihr scheint, natürlich auch zum letztenmal – liebt? Wie könnte man sie von der Notwendigkeit einer Trennung überzeugen! Als ob es für sie irgendeine Logik gäbe!
    Obwohl Lichonin stets vor Simanowskis Härte in Wort und Entscheidung großen Respekt hatte, ahnte und erspürte er dennoch, wie dieser wirklich zu Ljubka stand, und in seinem Bestreben, sich von der zufälligen und für ihn zu schweren Bürde zu befreien, ertappte er sich bei einem gemeinen Gedanken: Sie gefällt Simanowski, und ihr könnte es doch eigentlich egal sein: er oder ich oder ein Dritter. Ich könnte offen mit ihm reden und ihm Ljubka freundschaftlich abtreten. Aber sie geht ja nicht, das Dummchen. Sie schreit ja zetermordio.
    Oder ich müßte die beiden irgendwie ertappen, dachte er weiter, in einer eindeutigen Situation … schreien, Skandal schlagen. Dann eine edle Geste … ein bißchen Geld und … fort bin ich.
    Er kam jetzt oft mehrere Tage lang nicht nach Hause, und wenn er dann kam, mußte er stundenlang die Qual weiblicher Verhöre, Szenen, Tränen, sogar hysterischer Anfälle ertragen.
    Manchmal folgte Ljubka ihm heimlich, wenn er das Haus verließ, sie blieb dann gegenüber von dem Tor, das er betrat, stehen und wartete mehrere Stunden auf seine Rückkehr, um ihm Vorwürfe zu machen und auf offener Straße zu weinen. Ohne lesen zu können, hielt sie seine Briefe zurück und verwahrte sie, weil sie den Fürsten oder Solowjow nicht um Hilfe anzugehen wagte, bei sich in einem Schränkchen, zusammen mit Zucker, Tee Zitronen und allerlei anderem Kram. Sie war schon so weit gegangen, ihm in bösen Augenblicken mit Schwefelsäure zu drohen.
    Der Teufel soll sie holen, dachte Lichonin, wenn er seine heimtückischen Pläne schmiedete. Ganz egal, auch wenn sie nichts miteinander haben. Trotzdem werde ich den beiden eine schreckliche Szene machen.
    Und er deklamierte für sich: »Ach so! Ich habe dich Schlange an meinem Busen genährt, und was muß ich sehen? Du zahlst es mir mit schwärzestem Undank heim … Und du, mein bester Freund, du zerstörst mein einziges Glück! … O nein, nein, bleibt nur zusammen, ich ziehe mich zurück mit Tränen in den Augen. Ich sehe, daß ich überflüssig bin! Ich will eurer Liebe nicht im Wege stehen …« und so weiter und so weiter.
    Und eben diese Träume, diese heimlichen Pläne, so flüchtig und zufällig und im Grunde niederträchtig sie auch waren – von der Art, daß der Mensch sie sich im nachhinein selbst nicht eingesteht –, gingen plötzlich in Erfüllung.
    Solowjows Unterricht war an der Reihe. Zu seiner großen Freude konnte Ljubka endlich nahezu flüssig lesen: »Michej hat einen guten Pflug, auch Syssoi hat einen guten … die Schwalbe … die Schaukel … die Kinder lieben Gott …« Zur Belohnung las Solowjow ihr »Das Lied vom Zaren Iwan Wassiljewitsch, dem jungen Leibwächter und dem wackeren Kaufmann Kalaschnikow« vor. Ljubka zappelte vor Begeisterung auf ihrem Sessel und klatschte in die Hände. Die Schönheit dieses monumentalen, heroischen Werks fesselte sie ganz und gar. Doch sie kam nicht dazu, ihre Eindrücke völlig in Worte zu fassen. Solowjow mußte eilig zu einer Besprechung.
    Und gleich danach kam Simanowski, sie begegneten sich an der Tür und grüßten sich nur kurz. Ljubka zog ein trauriges Gesicht und schmollte. Allzu widerwärtig war ihr in der letzten Zeit dieser pedantische Lehrer und grobe geile Mann geworden.
    Diesmal begann er den Unterricht mit der Feststellung, daß für den Menschen weder Gesetze existierten noch Rechte, weder Verpflichtungen noch Ehre oder Gemeinheit, daß der Mensch eine sich selbst genügende Größe sei, von nichts und niemandem abhängig.
    »Man kann ein Gott sein, man kann auch ein Wurm sein – das ist einerlei.«
    Er wollte schon zur Theorie der Liebesgefühle übergehen, doch leider war er zu ungeduldig und hatte es etwas zu eilig: Er umarmte Ljubka, zog sie an sich und drückte sie derb. Sie wird in Ekstase geraten durch

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