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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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nicht … Mal sehen, was mein Kamerad sagt …«
    Verka lachte laut auf: »Das ist vielleicht ein Witz! Als ob Sie noch ein Wickelkind wären! Solche wie Sie, Shorotschka, werden auf dem Lande schon längst verheiratet, und er sagt: ›Muß meinen Kameraden fragen!‹ Willst du nicht noch die Kinderfrau oder die Amme fragen? Tamara, mein Engel, stell dir bloß vor: Ich will mit ihm schlafen, und er sagt: ›Muß meinen Kameraden fragen!‹ Sind Sie, Herr Kamerad, bei dem etwa die Gouvernante?«
    »Finger weg, zum Teufel!« brummte Petrow ungeschickt, wie vor einem Streit unter Kadetten.
    Wanka Stehauf, lang, zerzaust und noch grauhaariger geworden, trat zu den Kadetten an den Tisch, legte seinen langen schmalen Kopf zur Seite, zog eine wehleidige Grimasse und begann zu jammern: »Ihr Herren Kadetten, hochgelehrte junge Leute, Blüte der Intelligenz sozusagen, zukünftige Generale, habt Ihr nicht für einen Greis, einen Ureinwohner dieser holden Gefilde, ein schönes altes Zigarettchen? Bin allen Hab und Gutes bar. Omnia mea mecum porto. [18] Aber für Tabak schwärme ich.«
    Nachdem er eine Zigarette bekommen hatte, nahm er sofort in ungezwungener Pose Aufstellung, das rechte Bein leicht vorgeschoben, die Hand in die Hüfte gestützt, und sang mit zittriger Fistelstimme:
    »Einst gab ich Feste, reich und üppig,
Sekt floß in Strömen, 's ist kein Scherz.
Jetzt fehlt es am geringsten Häppchen,
Sogar an Schnäpschen, Bruderherz.
    Einst, wenn ich das Hotel betreten,
Nahm mir der Chef gleich ab den Nerz.
Jetzt jagt man mich davon mit Tritten.
Gib für ein Schnäpschen, Bruderherz!
    »Meine Herren!« rief Wanka Stehauf plötzlich pathetisch, seinen Gesang unterbrechend und sich an die Brust schlagend. »Ich sehe Sie an und weiß, daß Sie die künftigen Generale Skobelew und Gurko sind, doch auch ich bin ja in gewisser Hinsicht ein alter Krieger. Zu meiner Zeit, als ich Förstergehilfe lernte, unterstand das ganze Forstamt dem Militär, und deshalb klopfe ich an die brillantenbesetzten goldenen Pforten Ihrer Herzen und bitte: Opfern Sie für die Wiederherstellung eines Taxationsfähnrichs ein kleines bißchen spiritus vini, den nehmen doch auch die Mönche zu sich.«
    »Wanka!« rief die dicke Katka vom anderen Ende des Saales. »Zeig den jungen Offizieren den Blitz, oder willst du das Geld umsonst haben, du Schmarotzer?«
    »Sofort«, rief Wanka Stehauf fröhlich zurück. »Geben Sie Obacht, meine wohltätigen Magnaten. Lebende Bilder. Sommergewitter an einem Junitag. Ein Werk eines nicht anerkannten Dramatikers, der sich hinter dem Pseudonym Wanka Stehauf verbirgt. Erstes Bild.
    Es war ein herrlicher Junitag. Die sengenden Strahlen der Mittagssonne beleuchteten blühende Wiesen und die ganze Umgebung …«
    Wanka Stehaufs Don-Quichote-Miene zog sich zu einem süßen Faltenlächeln breit, und die Augen verengten sich zu Halbkreisen.
    »Doch da zeigten sich fern am Horizont die ersten Wolken. Sie wuchsen, türmten sich auf wie Felsen und überzogen nach und nach das blaue Himmelszelt …«
    Allmählich schwand das Lächeln von Wanka Stehaufs Gesicht, das immer ernster und düsterer wurde.
    »Schließlich verdeckten die Wolken die Sonne … Es wurde unheilvoll finster …«
    Wanka Stehauf zog eine ganz wilde Miene.
    »Die ersten Regentropfen fielen …«
    Wanka trommelte mit den Fingern an die Stuhllehne.
    »In der Ferne leuchtete der erste Blitz …«
    Das rechte Auge von Wanka Stehauf zwinkerte rasch, und sein linker Mundwinkel zuckte.
    »Dann goß es wie aus Kannen, und plötzlich fuhr ein greller Blitz herab …«
    Und außergewöhnlich kunstfertig und flink vollführte Wanka Stehauf, nacheinander Brauen, Augen, Nase, Ober- und Unterlippe verschiebend, eine blitzschnelle Zickzackbewegung.
    »Dann dröhnte ein ohrenbetäubender Donnerschlag – krrrach! Eine uralte Eiche knickte um wie ein schwaches Schilfrohr …«
    Und mit für sein Alter außergewöhnlicher Leichtigkeit und Kühnheit ließ Wanka Stehauf sich augenblicks, ohne Knie oder Rücken zu beugen, nur den Kopf ein wenig senkend, wie eine Statue auf den Fußboden fallen, sprang aber sofort behende wieder auf.
    »Nun aber ebbte das Gewitter allmählich ab. Es blitzte immer seltener. Der Donner klang dumpfer, wie ein sattes Raubtier – uuh, uuh … Die Wolken verzogen sich. Schon lugten die ersten Sonnenstrahlen hervor …«
    Wanka Stehauf lächelte säuerlich.
    »Und endlich strahlte das Tagesgestirn wieder über der blankgewaschenen Erde …«
    Und abermals

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