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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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wollen lieber nicht streiten – sowieso haben wir's schwer genug. Also gut, ich gehe und schicke ihn zu dir.«
    Als sie das Zimmer verlassen hatte, drehte Shenka das Licht in der blauen Hängelampe kleiner, zog ihr Nachtjäckchen an und legte sich hin. Einen Augenblick später kam Gladyschew, und hinter ihm Tamara, die Petrow am Arm mitschleppte, der sich sperrte und nicht den Kopf hob. Und schließlich steckte noch die schieläugige Verwalterin Sossja ihr rosiges, scharfes Fuchsgesicht durch die Tür.
    »Wie schön«, begann die Verwalterin eilfertig. »Richtig süß anzuschauen: zwei hübsche Herren und zwei ebensolche Fräuleins. Direkt ein Bukett. Was darf ich Ihnen bringen, junge Herrschaften? Bier oder Wein?«
    Gladyschew hatte viel Geld in der Tasche, mehr als jemals bisher in seinem kurzen Leben – ganze fünfundzwanzig Rubel –, und er wollte feiern. Bier trank er nur, um nicht als Feigling zu gelten, aber er konnte den bitteren Geschmack nicht leiden und wunderte sich, wie andere es tranken. Und deshalb sagte er mißtrauisch und verächtlich wie ein erfahrener Zecher, die Unterlippe vorschiebend: »Wahrscheinlich haben Sie nur lauter billiges Zeug?«
    »Woher denn, woher denn, mein Guter! Die vornehmsten Herren sind stets zufrieden … An Süßweinen – roten Dessertwein, Abendmahlswein und Teneriffe, und an französischen – Lafitte … Portwein gibt es auch. Für Lafitte mit Limonade schwärmen die Mädchen sehr.«
    »Was soll das kosten?«
    »Mehr als Geld kostet's nicht. Wie überall in guten Etablissements: eine Flasche Lafitte fünf Rubel, vier Flaschen Limonade zu je fünfzig Kopeken – zwei Rubel, macht zusammen nur sieben …«
    »Nun reicht's, Sossja«, fiel Shenka ihr gelassen ins Wort, »schäm dich, die Jungs zu kränken. Fünf sind genug. Du siehst doch, es sind anständige Leute, nicht irgendwer …«
    Gladyschew jedoch war rot geworden und warf mit hochmütiger Miene einen Zehnrubelschein auf den Tisch.
    »Was gibt es noch groß zu reden. In Ordnung, bringen Sie alles.«
    »Ich nehme auch gleich das Geld für die Visite. Wie wünschen Sie es, junge Herren – auf Zeit oder die ganze Nacht? Sie kennen die Taxe: auf Zeit – je zwei Rubel, für die Nacht – je fünf.«
    »Schon gut, schon gut. Auf Zeit«, unterbrach Shenka sie heftig. »Vertrau ihnen wenigstens darin.«
    Der Wein wurde gebracht. Tamara hatte außerdem noch Gebäck erbettelt. Shenka bat, die Blonde Manka einladen zu dürfen. Shenka selbst trank nicht, erhob sich auch nicht vom Bett und hüllte sich die ganze Zeit in ein graues Orenburger Tuch, obwohl es warm im Zimmer war. Immerzu betrachtete sie unverwandt das hübsche, braungebrannte Gesicht Gladyschews, das so männlich geworden war.
    »Was hast du, mein Liebes?« fragte Gladyschew, während er sich zu ihr aufs Bett setzte und ihren Arm streichelte.
    »Nichts Besonderes. Ein bißchen Kopfweh. Hab mich gestoßen.«
    »Nimm's nicht so schwer.«
    »Als ich dich sah, wurde mir gleich leichter. Warst aber lange nicht bei uns!«
    »Keine freie Minute – Feldlager. Weißt ja … Jeden Tag zwanzig Werst strampeln. Den ganzen Tag Dienst: Felddienst, Garnisonsdienst, Pionierdienst. Mit voller Ausrüstung. Manchmal hast du dich so geschafft von morgens bis in die Nacht, daß du am Abend den eigenen Marschtritt nicht mehr hörst … Im Manöver waren wir auch. Kein Zuckerlecken …«
    »Ach, ihr Ärmsten!« rief die Blonde Manka und schlug die Hände zusammen. »Und warum quälen sie euch Engelchen so? Wenn ich so einen Bruder wie euch beide hätte oder einen Sohn – das Herz würde mir bluten. Auf Ihr Wohl, Kadett!«
    Sie stießen an. Shenka betrachtete Gladyschew noch immer aufmerksam.
    »Und du, Shenetschka?« fragte er und reichte ihr ein Glas.
    »Ich mag nicht«, erwiderte sie träge. »Aber nun, Mädels, habt ihr Wein getrunken und geplaudert, nun müßt ihr auch wissen, was sich gehört.
    Vielleicht bleibst du über Nacht bei mir?« fragte sie Gladyschew, als die anderen gegangen waren. »Hab keine Angst, mein Lieber: wenn dein Geld nicht reicht, zahle ich den Rest. Siehst du, so hübsch bist du, daß es einem Mädchen für dich nicht mal ums Geld leid tut«, lachte sie.
    Gladyschew wandte sich ihr zu: sogar sein ungeübtes Ohr war von Shenkas sonderbarem Ton befremdet, von diesem traurigen, zärtlichen, ein wenig spöttischen Ton.
    »Nein, mein Herz. Ich wäre sehr froh, ich würde selbst gern bleiben, aber es geht wirklich nicht: ich habe versprochen, um zehn daheim zu

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