Das sündige Viertel
nahm mal bei diesem, mal bei jenem Mädchen Platz und unterhielt sie mit seinem flotten Geplauder.
Als Kolja Gladyschew den Empfangsraum betrat, erkannte ihn als erste Verka mit den runden Augen, die wie üblich ihr Jockeykostüm trug. Sie drehte sich um sich selbst, hüpfte, klatschte in die Hände und rief: »Shenka, Shenka, komm schnell, dein Liebster ist zu dir gekommen. Der kleine Kadett … Ach, sieht der hübsch aus!«
Shenka aber war gerade nicht im Saal: ein dicker Oberkondukteur hatte sich bereits ihrer bemächtigt.
Dieser gravitätische und imposante ältere Mann war ein sehr bequemer Gast, denn er hielt sich nie länger als vierzig Minuten im Hause auf, weil er fürchtete, seinen Zug zu verpassen, und auch dabei sah er immerzu auf die Uhr. In dieser Zeit trank er genau vier Flaschen Bier, und wenn er wieder ging, gab er dem betreffenden Mädchen jedesmal fünfzig Kopeken für Süßigkeiten und Simeon zwanzig Kopeken Trinkgeld.
Kolja Gladyschew war nicht allein gekommen, sondern mit seinem Klassenkameraden Petrow, der zum erstenmal die Schwelle eines Freudenhauses überschritt, Gladyschews verführerischem Zureden nachgebend. Wahrscheinlich befand er sich jetzt in dem gleichen verwirrten und fieberhaften Zustand, den Kolja vor anderthalb Jahren durchgemacht hatte, als ihm die Beine zitterten, der Mund wie ausgedörrt war und die Lampenlichter wie kreisende Räder vor ihm tanzten.
Simeon nahm ihnen die Mäntel ab und verstaute sie einzeln, etwas abseits, damit Schulterstücke und Knöpfe nicht zu sehen waren.
Dieser mürrische Mann nämlich, der Studenten nicht leiden konnte, weil sie ihm zu ausgelassen scherzten und er ihre Redeweise nicht verstand, liebte es auch nicht, wenn solche Jüngelchen in Uniform das Etablissement aufsuchten.
»Was soll's?« sagte er zuweilen finster zu seinen Berufskollegen. »Da kommt so ein Hüpferling und läuft am Ende seinem Vorgesetzten in die Arme. Bums, wird das Etablissement geschlossen! Wie sie's vor drei Jahren der Lupendicha geschlossen haben. Freilich, das war nicht so schlimm – sie hat's ja gleich auf einen andern Namen überschreiben lassen –, aber wie die zu anderthalb Monaten Knast verurteilt wurde, das hat sie eine schöne Stange Geld gekostet. Allein schon Körbesch mußte sie vierhundert hinblättern … Und außerdem: Wenn nun so ein Ferkel eine Krankheit aufschnappt, dann geht das Gejammer los: ›Ach, Papa! Ach, Mama! Ich muß sterben!‹ – ›Raus mit der Sprache, Lümmel, wo hast du das her?‹ – ›Dort und dort …‹ Na, und dann sind wir wieder dran!«
»Nun geht schon rein«, sagte er mürrisch zu den Kadetten.
Die Kadetten traten ein und blinzelten vom grellen Licht. Petrow, der sich Mut angetrunken hatte, schwankte und war blaß. Sie nahmen Platz unter dem Bild »Bojarengelage«, und sofort setzten sich von beiden Seiten zwei Mädchen zu ihnen, Verka und Tamara.
»Geben Sie mir was zu rauchen, Sie hübscher Brünetter!« wandte sich Verka an Petrow und schmiegte wie zufällig ihren kräftigen, warmen, vom weißen Trikot fest umspannten Schenkel an sein Bein. »Sie sind ja so sympathisch!«
»Wo ist denn Shenja?« fragte Gladyschew Tamara. »Ist jemand bei ihr?«
Tamara sah ihn aufmerksam an, so fest blickte sie in seine Augen, daß dem Jungen ganz komisch zumute wurde und er sich abwandte.
»Nein. Wieso denn? Sie hat nur heute den ganzen Tag Kopfschmerzen. Als sie über den Korridor ging, hat die Verwalterin zu schnell die Tür geöffnet und Shenka versehentlich vor die Stirn gestoßen – na, und nun tut ihr der Kopf weh. Den ganzen Tag hat die Ärmste mit einer Kompresse dagelegen. Na, Sie können's wohl gar nicht mehr erwarten? Nur Geduld, in fünf Minuten kommt sie. Sie werden sehr zufrieden mit ihr sein.«
Verka ließ nicht von Petrow ab: »Schätzchen, mein Lieber, Sie sind ja süß! Ich schwärme für solche blassen Brünetten: die sind eifersüchtig und sehr leidenschaftlich in der Liebe.«
Und auf einmal sang sie halblaut:
»Ach, mein Brünettchen
Ist lieb im Bettchen,
Betrügt mich nie und läßt mich nie im Stich.
Läßt unter Qualen
Sich alles gefallen
Und gibt sein letztes Hemd noch weg für mich.«
»Wie heißen Sie, Kleiner?«
»Georgi«, antwortete Petrow mit heiserem Kadettenbaß.
»Shorshik! Shorotschka! Ach, wie hübsch!«
Sie näherte sich plötzlich seinem Ohr und flüsterte mit verschmitztem Gesicht: »Shorotschka, gehen wir zu mir.«
Petrow senkte den Blick und brummte verzagt: »Ich weiß auch
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