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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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sein.«
    »Laß doch, Lieber, die können doch warten, du bist ja schon ein richtiger erwachsener Mann. Mußt du wirklich jemandem gehorchen? … Übrigens, wie du willst. Vielleicht soll ich das Licht ein bißchen dämpfen, oder ist es auch so gut? Möchtest du vorn oder an der Wand liegen?«
    »Mir ist es gleich«, erwiderte er mit bebender Stimme, schlang den Arm um Shenkas heißen, trockenen Körper und näherte seine Lippen ihrem Gesicht. Sie schob ihn sanft weg.
    »Warte, gedulde dich, mein Täubchen – wir können uns noch genug küssen. Bleib ein Weilchen liegen … so … ganz still … beweg dich nicht …«
    Diese Worte, leidenschaftlich und befehlend gesprochen, wirkten auf Gladyschew wie Hypnose. Er fügte sich ihr und legte sich auf den Rücken, die Hände unterm Kopf. Sie richtete sich ein wenig mit den Ellenbogen auf, legte den Kopf auf die Hand und betrachtete im schwachen Halbdämmer schweigend seinen Körper, der so weiß, stark und muskulös war, mit hohem, breitem Brustkorb, wohlgeformten Rippen, schmalem Becken und kräftigen runden Schenkeln. Die dunkle Sonnenbräune des Gesichts und oben am Hals stach scharf ab gegen die weißen Schultern und die Brust.
    Gladyschew schloß sekundenlang die Augen. Ihm war, als spüre er auf dem Gesicht und auf seinem ganzen Körper diesen angespannt-aufmerksamen Blick, der seine Haut berühren und ihn zu kitzeln schien wie die spinnwebähnliche Berührung eines Kammes, den man vorher an Stoff gerieben hat. Ein Gefühl, zart und gewichtslos, aber lebendig.
    Er hob die Lider und sah ganz dicht vor sich die großen, unheimlichen dunklen Augen einer Frau, die ihm jetzt ganz unbekannt vorkam.
    »Was schaust du so, Shenja?« fragte er leise. »Woran denkst du?«
    »Mein lieber Junge! Stimmt's, du heißt Kolja?«
    »Ja.«
    »Sei mir nicht böse, erfülle mir bitte noch einen Wunsch: Schließ noch mal die Augen … nein, ganz zumachen, fester, fester … Ich will etwas mehr Licht machen und dich richtig ansehen. Einfach so … Wenn du wüßtest, wie schön du jetzt bist … gerade jetzt, in diesem Augenblick. Nachher wirst du derb werden und wirst riechen wie ein Ziegenbock, jetzt duftest du nach Fell und Milch, und ein bißchen nach einer wilden Blume. Mach doch die Augen zu, bitte!«
    Sie drehte das Licht größer, kehrte an ihren Platz zurück und nahm ihre Lieblingsstellung ein, mit untergeschlagenen Beinen. Beide schwiegen. Man konnte hören, wie in einem entfernten Raum ein verstimmtes Klavier klimperte, jemand lachte vibrierend, von der anderen Seite hörte man ein Lied und hastiges, fröhliches Reden. Worte waren nicht zu verstehen. Draußen auf einer fernen Straße rumpelte eine Droschke …
    Gleich werde ich ihn anstecken, genau wie alle anderen, dachte Shenka, während ihr Blick über seine schlanken Beine glitt, über den schönen Körper, der den künftigen Athleten ahnen ließ, und über die nach hinten gereckten Arme, deren Muskeln oberhalb der Ellenbeuge straff gespannt waren und sich plastisch abzeichneten. Warum tut er mir denn so leid? Etwa weil er hübsch ist? Nein. Solche Gefühle kenne ich längst nicht mehr. Oder vielleicht, weil er noch ein Junge ist? Vor einem reichlichen Jahr noch habe ich ihm Äpfel in die Tasche gesteckt, wenn er nachts von mir fortging. Warum habe ich ihm damals nicht gesagt, was ich ihm jetzt zu sagen wage? Oder würde er mir sowieso nicht glauben? Würde er böse werden? Zu einer anderen gehen? Früher oder später ist doch jeder Mann einmal an der Reihe … Und daß er mich für Geld gekauft hat – ist das überhaupt zu verzeihen? Oder hat er, wie sie alle, einfach gedankenlos gehandelt?
    »Kolja«, sagte sie leise, »mach die Augen auf.«
    Er gehorchte, öffnete die Augen, wandte sich ihr zu, umschlang mit dem Arm ihren Hals, zog sie ein wenig an sich und wollte ihre Brust im Hemdausschnitt küssen. Abermals schob sie ihn zärtlich, aber bestimmt von sich.
    »Nein, warte, warte – hör mich erst an … noch einen Augenblick. Sag mir, Junge, warum kommst du hierher zu uns … zu den Frauen?«
    Kolja lachte leise und heiser.
    »Dummchen! Warum kommen sie denn alle? Bin ich etwa kein Mann? Ich bin ja wohl in dem Alter, in dem bei jedem Mann das … nun ja, das Bedürfnis nach einer Frau heranreift. Ich kann mich doch nicht mit sonstwas abgeben!«
    »Bedürfnis? Nur das? Genauso, wie man das Gefäß benutzt, das bei mir unterm Bett steht?«
    »Aber nein, wieso denn?« widersprach Kolja und lachte zärtlich. »Du hast mir

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