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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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sehr gefallen, vom ersten Mal an schon. Wenn du so willst, bin ich sogar ein bißchen verliebt in dich. Jedenfalls bin ich nie bei einer von den anderen gewesen.«
    »Nun gut. Aber damals, beim ersten Mal, war es wirklich ein Bedürfnis?«
    »Vielleicht nicht gerade das, aber irgendwie verschwommene Sehnsucht nach einer Frau … Die anderen haben mir zugeredet … Viele waren schon früher hier gewesen … Da bin ich eben mitgegangen …«
    »Und hast du dich nicht geschämt beim ersten Mal?«
    Kolja wurde verlegen. Das ganze Verhör war ihm unangenehm und lästig. Er spürte, dies war kein leeres Bettgeschwätz, wie er es aus seiner geringen Erfahrung schon so gut kannte, sondern etwas anderes, Wichtigeres.
    »Nun ja … nicht gerade geschämt … aber es war schon peinlich. Ich hatte mir vorher Mut angetrunken.«
    Shenja legte sich wieder auf die Seite, stützte sich auf den Ellenbogen und sah ihn abermals von oben her aufmerksam aus der Nähe an.
    »Aber sag, Lieber«, fragte sie so leise, daß der Kadett ihre Worte kaum verstand, »sag mir noch eines: Daß du Geld bezahlt hast, diese verfluchten zwei Rubel, daß du – verstehst du? – für die Liebe bezahlt hast, dafür, daß ich dich streichle und küsse und dir meinen Körper hingebe – dafür zu bezahlen, hat dich das nie beschämt? Niemals?«
    »Ach du mein Gott! Was stellst du heute für sonderbare Fragen! Alle bezahlen dich! Wenn nicht ich, dann ein anderer – ist dir das nicht einerlei?«
    »Hast du schon mal jemanden geliebt, Kolja? Gib es zu! Nun, vielleicht nicht richtig, aber so … mit dem Herzen … Hast du einer den Hof gemacht? Blumen geschenkt … im Mondschein Händchen gehalten beim Spazierengehen? Das hast du doch?«
    »Nun ja«, sagte Kolja mit solider Baßstimme. »Wenn man jung ist, macht man allerhand Dummheiten! Klar …«
    »Vielleicht eine Cousine? Ein gebildetes Fräulein? Eine Gymnasiastin oder eine aus dem Institut? Ja?«
    »Ja, freilich – das kommt bei jedem vor.«
    »Die hättest du doch niemals angerührt? Die hättest du verschont, nicht wahr? Wenn sie nun zu dir gesagt hätte: Nimm mich, nur gib mir zwei Rubel – was hättest du ihr geantwortet?«
    »Ich verstehe dich nicht, Shenka!« sagte Gladyschew auf einmal ärgerlich. »Was zierst du dich bloß! Spielst eine richtige Komödie! Herrje, gleich ziehe ich mich an und gehe.«
    »Warte, Kolja, warte! Nur noch eine einzige Frage, die allerallerletzte.«
    »Was denn noch?« knurrte Kolja unwillig.
    »Konntest du dir nie vorstellen … nun, stell dir jetzt wenigstens mal für eine Sekunde vor … deine Familie wäre plötzlich verarmt … Du müßtest dein Brot verdienen mit Abschreibarbeiten oder, sagen wir, als Tischler oder Schmied, und deine Schwester käme auf die schiefe Bahn, so wie wir alle … ja, ja, deine eigene Schwester … irgendein Kerl würde sie verführen, und dann ginge sie von Hand zu Hand … was würdest du dann sagen?«
    »Völliger Unsinn! Das ist ausgeschlossen!« schnitt Kolja ihr scharf das Wort ab. »Jetzt ist es wirklich genug – ich gehe!«
    »Geh, sei so lieb! Dort in der Schokoladendose beim Spiegel hab ich zehn Rubel liegen – nimm sie dir. Ich brauch sie sowieso nicht. Kauf davon für deine Mama eine Perlmuttpuderdose mit Goldrand, und wenn du eine kleine Schwester hast, dann kauf ihr eine hübsche Puppe. Sag: Zur Erinnerung von einem toten Freudenmädchen. Geh nun, Junge!«
    Kolja blickte finster drein und böse, mit einem Ruck seines geschmeidigen Körpers erhob er sich vom Bett, fast ohne Shenja zu berühren. Jetzt stand er auf dem Bettvorleger – nackt, schlank, schön, in der vollen Herrlichkeit seines blühenden jugendlichen Körpers.
    »Kolja!« rief Shenka leise, zärtlich und beharrlich. »Koletschka!«
    Auf ihren Ruf hin wandte er sich um und holte kurz und gierig Luft, es klang wie ein Stöhnen: noch nie im Leben, nirgends, nicht einmal auf Bildern, war ihm solch ein wunderbarer Ausdruck von Zärtlichkeit, Wehmut und schweigendem Vorwurf begegnet, wie er ihn jetzt in Shenkas tränennassen Augen sah. Er setzte sich auf den Bettrand und umschlang heftig ihre bräunlichen bloßen Arme.
    »Wir wollen uns nicht streiten, Shenetschka«, sagte er zärtlich.
    Auch sie umschlang ihn, legte die Arme um seinen Hals und schmiegte ihren Kopf an seine Brust. So schwiegen sie einige Sekunden.
    »Kolja«, fragte Shenja plötzlich dumpf, »hattest du nie Angst, dich anzustecken?«
    Kolja erbebte. Ein widerwärtiges kaltes Grausen regte sich in

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