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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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gesehen.«
    »Was für ein Freund?«
    »Ein hübscher Kerl! Ein sympathischer Brünetter … Aber fragen Sie doch lieber, wo ich ihn gesehen habe.«
    »Na, wo?« Prochor Iwanowitsch bleibt einen Augenblick stehen.
    »Ich sag's Ihnen: Pinkepank, wo steht der Schrank – in der Küche auf der Bank.«
    »Pah! Blödes Weib.«
    Njura lacht kreischend, daß es im ganzen Viertel zu hören ist, und lehnt sich aufs Fensterbrett, mit den schwarzbestrumpften Beinen zappelnd. Dann hört sie auf zu lachen, macht runde Staunaugen und sagt flüsternd: »Weißt du eigentlich, Ljuba, daß der im vorvorigen Jahr einer Frau die Kehle durchgeschnitten hat, der Prochor? Wirklich wahr!«
    »Ach! Umgebracht?«
    »Nein, nicht ganz. Sie ist wieder geworden«, sagt Njura geradezu bedauernd. »Aber zwei Monate hat sie im Alexandrow-Krankenhaus gelegen. Die Ärzte haben gesagt, bloß ein bißchen höher, so ein bißchen, dann wär's ausgewesen. Erledigt!«
    »Und warum hat er das gemacht?«
    »Was weiß denn ich? Vielleicht hat sie Geld vor ihm versteckt oder ihn betrogen. Er war von ihr der Liebhaber, ihr Bock war er.«
    »Und wieviel hat er dafür gekriegt?«
    »Gar nichts. Es gab keine Beweise. Da war ein allgemeiner Tumult gewesen. An die hundert Mann haben sich geprügelt. Sie hat auch der Polizei gesagt, daß sie keinen Verdacht hätte. Aber Prochor hat später selber geprahlt. Diesmal, hat er gesagt, hab ich Dunka nicht ganz geschafft, dafür bring ich sie ein andermal endgültig um. Sie entkommt mir nicht, hat er gesagt. Dann geht's ihr an den Kragen!«
    Ljuba läuft ein Schauder über den Rücken.
    »Die sind wahnsinnig, diese Böcke!« sagt sie leise, und in ihrer Stimme schwingt Furcht.
    »Und ob! Du weißt ja, daß ich ein ganzes Jahr mit unserm Simeon gegangen bin. So ein Ungeheuer, so ein gemeiner Kerl! Mein ganzer Körper war voll blauer Flecken, keine heile Stelle gab's mehr. Und nicht etwa wegen irgendwas, sondern einfach so, geht morgens mit mir ins Zimmer, schließt ab, und dann fängt die Quälerei an. Verrenkt mir die Arme, kneift mich in die Brüste, würgt mich. Oder er küßt mich wie toll und beißt plötzlich zu, daß mir das Blut aus den Lippen spritzt … ich fange an zu flennen, und das hat er ja nur gewollt. Wie ein Vieh hat er sich auf mich gestürzt, hat richtig gezittert. Und alles Geld hat er mir weggenommen, alles bis zur letzten Kopeke. Nicht mal ein paar Zigaretten könnt ich mir kaufen. Er ist nämlich geizig, der Simeon, trägt alles aufs Sparbuch, immer nur aufs Sparbuch … Er sagt, wenn er tausend Rubel zusammen hat, geht er ins Kloster.«
    »Ach?«
    »Wirklich wahr. Guck doch mal in sein Zimmer: immerzu, Tag und Nacht brennt das Lämpchen vor den Ikonen. Er hat es sehr mit dem lieben Gott. Nur, ich denke, das kommt daher, weil schwere Sünden auf ihm lasten. Er ist ein Mörder.«
    »Was sagst du da?«
    »Ach was, reden wir nicht mehr von ihm, Ljubotschka.
    Komm, wir singen weiter:
    »Zur Apitheke gehe ich,
Kauf ein bißchen Gift für mich,
Lösche aus mein Lebenslicht …«
    singt Njura mit dünner Stimme.
    Shenja geht im Saal auf und ab, die Hände in die Hüften gestemmt, sich wiegend und in allen Spiegeln betrachtend. Sie trägt ein kurzes orangefarbenes Kleid aus Atlasseide mit tiefen Falten im Rock,« der von ihren Hüftschwüngen gleichmäßig nach links und nach rechts wippt. Die Kleine Manka, die so gern Karten spielt, daß sie am liebsten von einem Morgen bis zum anderen pausenlos spielen würde, sitzt schon wieder bei Sechsundsechzig mit Pascha, wobei die beiden Frauen, um besser geben zu können, einen freien Stuhl zwischen sich gestellt haben, und die Stiche sammeln sie auf ihren zwischen den Knien breitgespannten Röcken. Manka trägt ein sehr schlichtes braunes Kleid mit schwarzem Schürzchen und schwarzem Brusttuch aus Klöppelspitzen; dieses Kostüm paßt gut zu ihrem zierlichen blonden Köpfchen und ihrem niedrigen Wuchs, es verjüngt sie und läßt sie wie eine Gymnasiastin in der vorletzten Klasse aussehen.
    Ihre Partnerin Pascha ist ein sehr seltsames und unglückliches Mädchen. Schon längst müßte sie, statt im Freudenhaus, in einer psychiatrischen Klinik sein, denn sie leidet an einer quälenden Nervenkrankheit, die sie zwingt, sich leidenschaftlich, mit geradezu krankhafter Gier, jedem beliebigen Mann hinzugeben, dessen Wahl auf sie fällt, sogar dem widerlichsten. Die Freundinnen machen sich über sie lustig, verachten sie sogar ein wenig wegen dieses Gebrechens, als wäre es

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