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Das sündige Viertel

Das sündige Viertel

Titel: Das sündige Viertel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kuprin
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Besucher des Viertels mehr oder minder stark diesen inneren Stachel im Herzen, denn Doroschenko verkaufte ausschließlich spätabends und nachts, und niemand hielt sich lange bei ihm auf, sondern man kehrte nur im Vorübergehen hier ein.
    Während die Studenten Kognak, Bier und Wodka tranken, schaute Ramses immerzu in die äußerste Ecke der Gaststube, wo zwei Männer saßen: ein hochgewachsener Greis mit zottigem Grauhaar, und ihm gegenüber, mit dem Rücken zur Theke, hockte gekrümmt, die Ellenbogen weit auf den Tisch gebreitet und das Kinn auf die übereinandergelegten Fäuste gestützt, ein stämmiger Herr in grauem Anzug und mit kurzgeschnittenem Haar. Der Alte klimperte auf den Saiten einer vor ihm liegenden Gusli und sang leise mit rauher, aber angenehmer Stimme:
    »Mein liebes Tal, mein Heimattal,
Mein freies, weites Feeeld.«
    »Entschuldigen Sie mich einen Moment, das ist ja ein Mitarbeiter von uns«, sagte Ramses und ging, den Herrn im grauen Anzug zu begrüßen. Einen Augenblick später brachte er ihn mit an die Theke und machte ihn mit seinen Freunden bekannt.
    »Meine Herren, gestatten Sie, daß ich Ihnen meinen Mitstreiter vom Zeitungswesen vorstelle: Sergej Iwanowitsch Platonow. Der Faulste und Talentierteste aller Presseleute.«
    Alle schüttelten ihm die Hand, wobei sie undeutlich ihre Familiennamen murmelten.
    »Darauf trinken wir einen«, sagte Lichonin.
    Jartschenko hingegen fragte mit der betonten Liebenswürdigkeit, die ihn niemals verließ: »Verzeihen Sie, kennen wir uns nicht auch schon flüchtig, wenngleich nicht persönlich? Waren Sie nicht in der Universität, als Professor Priklonski seine Dissertation verteidigte?«
    »Gewiß«, erwiderte der Journalist.
    »Ach, das ist ja sehr angenehm.« Jartschenko lächelte freundlich und drückte Platonow abermals kräftig die Hand. »Ich habe anschließend Ihren Bericht gelesen: sehr genau, ausführlich und geschickt geschrieben … Gestatten Sie? … Auf Ihr Wohl!«
    »Dann darf ich wohl auch«, sagte Platonow. »Onufri Sacharytsch, gießen Sie uns noch … ein, zwei, drei, vier … neun Glas Kognak ein …«
    »Nein, das kommt nicht in Frage. Sie sind unser Gast, Herr Kollege«, widersprach Lichonin.
    »Oh, wie könnte ich Ihr Kollege sein«, lachte der Journalist gutmütig. »Ich war nur im ersten Studienjahr, und auch das bloß ein Semester lang, als Gasthörer. Ich zahle, Onufri Sacharytsch. Bitte sehr, meine Herren …«
    Es endete damit, daß Lichonin und Jartschenko sich eine halbe Stunde später um keinen Preis von dem Journalisten trennen wollten und ihn mit ins Viertel schleppten. Er leistete übrigens auch keinen Widerstand.
    »Wenn ich Ihnen nicht lästig bin, komme ich gern mit«, sagte er schlicht. »Um so mehr, als ich heute irrsinnig viel Geld habe. Die Zeitung ›Dneprowskoje Slowo‹ hat mir Honorar gezahlt, und das kommt so selten vor wie ein Gewinn von zweihunderttausend auf eine Theatergarderobenmarke. Pardon, einen Augenblick …«
    Er ging zu dem Alten, mit dem er vorher zusammengesessen hatte, steckte ihm etwas Geld zu und verabschiedete sich freundlich von ihm.
    »Wo ich jetzt hinfahre, Großvater, das ist nichts für dich, wir treffen uns morgen wieder an derselben Stelle wie heute. Leb wohl!«
    Alle verließen das Restaurant. An der Tür hielt Borja Sobaschnikow, der sich immer geckenhaft und unnötig überheblich gab, Lichonin zurück und nahm ihn beiseite.
    »Ich wundere mich über dich, Lichonin«, sagte er pikiert. »Wir waren doch eine geschlossene Gesellschaft, und du mußt partout noch so einen Hergelaufenen mitschleppen. Weiß der Himmel, was das für einer ist!«
    »Laß gut sein, Borja«, erwiderte Lichonin begütigend. »Er ist schon in Ordnung.«

9
    »Also nein, meine Herren, das ist wirklich eine Schweinerei!« knurrte Jartschenko am Eingang von Anna Markownas Etablissement. »Wenn schon, dann sollten wir wenigstens ein anständiges Haus aufsuchen, nicht so eine Höhle. Wirklich, Herrschaften, gehen wir lieber nach nebenan zu Tröppel, dort ist es zumindest sauber und hell.«
    »Treten Sie ein, Signore«, beharrte Lichonin, indem er dem Privatdozenten mit dienerhafter Beflissenheit die Tür aufhielt, sich verneigte und die Hand vorstreckte. »Herzlich willkommen.«
    »Das ist doch schließlich … Bei Tröppel sind wenigstens die Frauen hübscher.«
    Ramses hinter ihm lachte trocken auf.
    »So, so, Gawrila Petrowitsch. Fahren wir getrost in diesem Sinne fort. Einen hungrigen kleinen Dieb, der auf der

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