Das Süße Geheimnis Der Leidenschaft: Roman
Narbe. Einer dieser Kerle hat ihm das Gesicht aufgeschlitzt, von der Schläfe bis zum Kinn.«
Als Madeleine zusammenzuckte, machte sich die Frau mit Genuss an die Schilderung der Details. »Ach, Mylady, das war ja nur ein Teil der Geschichte!«, berichtete sie weiter. »Und das alles ist ein Stück den Weg hinunter bei den Ställen passiert. Der arme Junge war mehr tot als lebendig, als man ihn ins Haus getragen hat, sagt mein Bruder. Und er hat dann hier wochenlang mit seiner eiternden Wunde gelegen, still wie der Tod, bis man dann einen Priester aus Glasgow hergeholt hat, ganz ohne Aufsehen, damit der ihm die letzte Ölung geben könnte.«
»Die letzte Ölung«, flüsterte Madeleine. »Aber ... aber er ist nicht katholisch!«
Die Frau sah sie neugierig an und drehte die Rechnung herum, um sie sich anzusehen.
»Ich meine - ist er es?«, sprach Madeleine weiter. »Er sieht nicht aus wie ein Katholik.«
Die Frau zuckte die Schultern, während Madeleine begann, die Münzen auf den Tisch zu legen. »Er trug einen Ring«, sagte sie. »Und er trägt ihn noch, immer an seinem kleinen Finger. Er ist aus Gold, mit einem eingravierten Winkelmaß, und einige lateinische Worte, und irgendjemand hat dann gesagt, dass er wohl Papist sein müsste. Und weil mein Bruder ein gutherziger Mensch ist, hat er nach dem Priester geschickt - der arme Mann hat kaum noch geatmet. Sogar das Mädchen hat ihn im Stich gelassen.«
Gallebitter stieg das Entsetzen in Madeleines Kehle empor. »Ich war verletzt«, hatte Merrick gesagt. »Ich habe dir geschrieben, kaum dass ich dazu in der Lage war.«
Lieber Gott! Er hatte es wortwörtlich gemeint. »Sie ... sie haben ihn geschlagen?«
»Fast zu Tode geprügelt«, berichtete die Frau traurig. »Es war schrecklich anzuhören, was mein Bruder darüber erzählt hat. Man hat den Richter gerufen, aber ach! Was konnte der schon tun? Der Vater dieses Mädchens war offensichtlich ein reicher Mann, und der Bursche war es nicht. Keiner wollte sich einmischen, verstehen Sie?«
Durch das Fenster konnte Madeleine sehen, dass einer der Stallburschen den Kopf eines großen, tänzelnden Kastanienbraunen hielt, der so frisch wie der Morgentau aussah. Mit einem Klopfen auf den Hals des großen Tieres trieb Merrick es von seinem Kutscher fort, wobei er diesem noch die letzten Instruktionen des Morgens zurief. Jeden Augenblick würde er wieder zur Tür hereinkommen.
Mit wackligen Knien wandte sich Madeleine zurück zum Tisch und ergriff die Hand der Frau. »Sie haben ein Mädchen erwähnt. Wer war sie?«
Die Frau zog sich ein Stück zurück. »Nun, es war nur die Zofe der jungen Frau, glaube ich«, sagte sie. »Aber sie war wohl keine Hilfe, sagt mein Bruder. Sie hat behauptet, nichts über den Burschen zu wissen oder wo man seine Familie finden könnte. Ich bin sicher, die haben sich schreckliche Sorgen um ihn gemacht.«
»Mein Gott!« Madeleine schob das Portemonnaie in ihr Ridikül zurück und blickte sich verzweifelt um. »Es ... es tut mir sehr leid. Ich muss gehen. Das war ... das war schrecklich! Ich danke Ihnen, für ... für Ihre Freundlichkeit. Mehr, als Sie je ahnen können.«
Und mit dieser Kette von Bedeutungslosigkeiten lief Madeleine auf die Treppe zu. Sie hatte kaum den ersten Absatz erreicht, als sie Merrick die Tür aufreißen hörte.
Fünfzehn Minuten später, nachdem sie sich genügend beruhigt hatte und ihr die Beine nicht mehr zitterten, kam Madeleine zusammen mit Geoff und Mr. Frost wieder herunter. Der Junge plauderte glücklich über die Fahrt, die vor ihnen lag. Trotz ihrer fast gleichbleibenden Voreingenommenheit gegenüber Merrick, war es Madeleine nicht entgangen, dass das Kind glücklicher und ausgeglichener wirkte in diesen letzten paar Tagen. Auch Mr. Frost sah zufrieden aus. Sein junges Gesicht zeigte keine Sorgenfalten.
Zusammen gingen sie hinaus auf den sonnenbeschienenen Hof, um ihr Handgepäck aufladen zu lassen. Das große kastanienbraune Pferd tänzelte noch immer nervös, und seine Hufe ließen den Kies hochspritzen. Merrick kam um die Kutsche herum, und erst jetzt wurde Madeleine bewusst, dass seine engen Hosen aus Büffelleder und die hohen Reitstiefel bedeuteten, dass er nicht für die Fahrt in der Kutsche, sondern fürs Reiten gekleidet war.
»Guten Morgen, Sir«, begrüßte ihn Mr. Frost. »Das ist aber ein schönes Tier.«
»Danke.« Merricks Augen blickten nicht gerade grimmig, aber müde. »Ich habe ihn vor Kurzem erworben.«
»Er gehört Ihnen, Sir?«,
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