Das Süße Geheimnis Der Leidenschaft: Roman
Himmel, hatte er denn nicht genau das schon ein Mal zu oft getan? Oder mehr als fünfzehn oder zwanzig Mal zu oft. Ja, schon bevor es sein Recht als Ehemann gewesen war, hatte er Madeleine mit in sein Bett genommen und sie auf eine Weise besessen, die nicht mehr rückgängig zu machen gewesen war.
Damals jedoch waren seine Absichten ehrenhaft gewesen. Vom ersten Augenblick an, in dem er das Mädchen gesehen hatte, war er entschlossen gewesen, sie zu heiraten - oder sich bei der Verwirklichung dieses Vorhabens zu ruinieren. In dem unwiderstehlichen Wunsch, sie haben zu wollen, hatte er das Unaussprechliche getan. Weil er dummerweise gedacht hatte, dass es kein Zurück mehr geben würde, wäre es erst geschehen. Weil er geglaubt hatte, hätte Madeleine ihm erst gehört, würde niemand sie mehr aufhalten können. Dieselbe verrückte Logik hatte ihn auch dazu gebracht, mit ihr durchzubrennen.
Nun, Jessup hatte ihm den Fehler in dieser Rechnung klargemacht, und das drastischer, als Merrick es sich je hätte vorstellen können. Ein gebrochenes Herz war das eine. Ein gebrochenes Bein, eine ausgekugelte Hüfte und ein zertrümmerter Schädel - nun, das alles zusammen war das andere. Nein, diese Dinge schmerzten überhaupt nicht - nicht, bis man unglücklich genug war, sie zu überleben und wieder zu Bewusstsein zu kommen.
Er musste sie zu lange angestarrt haben. Madeleine sah ihn mit fast spöttischem Bedauern an.
»Ich fürchte, Ihr großzügiges Opfer war vergebens, Mr. MacLachlan«, sagte sie mit ruhiger, kehliger Stimme. »Wie es scheint, ist mein Sohn eingeschlafen.«
Doch der Junge war nicht eingeschlafen. Er starrte, fast wie benommen, auf den Boden der Kutsche. Aber Merrick hielt es nicht für nötig, Madeleine zu korrigieren. Er wusste so gut wie gar nichts über Windmühlen, und hätte nicht weniger Lust als in diesem Moment haben können, darüber zu reden. Oh, er mochte den Jungen durchaus - genau genommen, sogar sehr. Aber Merricks harte Erektion pochte, als hätte er sich mit einem Hammer auf den Daumen geschlagen, und der abscheuliche Geschmack der Selbstverachtung lag ihm bitter auf der Zunge. Er riss den Blick von Madeleine los und sah sie nicht wieder an. Stattdessen starrte er aus dem Fenster auf die letzten Ausläufer Belgravias, an denen sie jetzt vorbeifuhren. Ein Mann ergibt sich nicht seinem Selbstmitleid. Der Regen hatte wieder eingesetzt und glitzerte im Schein der Gaslaternen wie Öl und Diamanten. Hier und dort waren Fußgänger auf den Bürgersteigen zu sehen, unter großen schwarzen Regenschirmen, einige lachend und zu zweit, andere allein und finster dreinschauend. Und das spiegelt wider, wie die Welt aufgeteilt ist, dachte Merrick. Er wusste, zu welcher Kategorie er gehörte.
Bald darauf näherten sie sich dem Dorf. Vor ihnen lag jetzt noch das letzte, fast leere Stück Straße bis dorthin, das zu beiden Seiten von Steinwällen begrenzt wurde. Sie bildeten den letzten Übergang zwischen Chelsea und der noch ländlichen Umgebung Walham Greens. Der Regen lief in kleinen Bächen an den Fenstern der Kutsche herunter, vernebelte die Welt draußen und schuf in dem Gefährt einen falschen Anschein von Intimität. Als würde es sie beunruhigen, räusperte Madeleine sich.
In diesem Augenblick zerriss so etwas wie ein Schuss das eintönige Fahrtgeräusch. Die Kutsche machte einen scharfen Ruck nach links.
»Du lieber Gott!« Madeleine richtete sich kerzengerade auf. »Straßenräuber?«
»Unsinn!«, winkte Merrick ab. »Nicht in Walham Green.«
Aber die Kutsche wurde langsamer, und Madeleines Kutscher rief den Pferden den Befehl zum Stehenbleiben zu. Merrick drehte sich auf seinem Platz um und sah, dass seine Kutsche, die vor ihnen hergefahren war, stehen geblieben war. Schräg vor ihr stand ein offener Landauer, der fast die ganze Straße blockierte.
»Ich glaube, vor uns hat es einen Unfall gegeben«, vermutete er. »Und irgendein verdammter Narr ist bei diesem Regen in einem offenen Landauer gefahren.«
Aber er konnte weder eine umgestürzte Kutsche noch ein lahmendes Pferd entdecken. Madeleines Kutsche hatte inzwischen ebenfalls angehalten. Ungeduldig setzte sich Merrick seinen Hut auf und öffnete die Tür.
»Nein!«, rief Geoff scharf. »Das dürfen Sie nicht! Machen Sie die Tür zu!«
Das Entsetzen in der Stimme des Jungen klang echt. Merrick tat, was der Junge verlangt hatte. Die Kutscher riefen sich jetzt etwas zu, sie schienen beunruhigt zu sein. Madeleine griff unter ihren Sitz.
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