Das Syndikat der Spinne
streichelte seiner Frau zärtlich über den Rücken und küsste sie auf den Hals und die Schultern. Sie schnurrte wie ein Kätzchen, drehte sich zu ihm um, öffnete die Augen und schlang ihre Arme um ihn. »Ich hatte wieder einen furchtbaren Traum. Bleib heute zu Hause, bitte.«
»Ich fahr doch nur in die Redaktion, um Bescheid zu sagen, dass ich die Serie zurückziehe. Gegen Mittag bin ich bestimmt wieder hier. Ich nehm mir für den Rest der Woche frei, wenn sie mich nicht gleich feuern.«
»Die feuern dich nicht, dazu bist du einfach zu gut. Frühstücken wir noch zusammen?«
»Klar. Sabrina ist auch schon wach.«
Claudia Schulze stand auf und schlüpfte in einen Morgenmantel. Sie ging ins Bad und danach zu ihrer Tochter, holte sie aus dem Bett und zog sie an. Schulze bereitete unterdessen das Frühstück. Um Viertel nach neun verließ er das Haus, nicht ohne vorher seiner Frau noch einen langen, intensiven Kuss gegeben zu haben, und setzte sich in seinen Wagen. Er fühlte sich so gut wie lange nicht mehr, legte eine CD von seiner Lieblingsband Aerosmith ein, drehte den Zündschlüssel, fuhr rückwärts aus der Parklücke und winkte noch einmal nach oben, wo Claudia mit Sabrina auf dem Arm am Fenster stand und ihm ebenfalls zuwinkte.
Er nahm denselben Weg wie immer, die Straße war frei, und er konnte, sobald er das Ortsschild hinter sich gelassen hatte, die Geschwindigkeit erhöhen. Er fuhr auf die A66, sah schon von weitem die Radarkontrolle unter der Brücke, drosselte die Geschwindigkeit und gab sofort wieder Gas, als er die Radarfalle hinter sich gelassen hatte. Von der A66 fuhr er auf die A5 Richtung Frankfurter Kreuz, scherte bei Tempo hundertsiebzig hinter einem Wohnmobil aus, musste aber gleich wieder bremsen, weil vor ihm ein Kleintransporterdie Spur wechselte. Er nahm noch kurz das laute Knacken wahr, spürte, wie das Lenkrad ihm aus der Hand gerissen wurde und das Fahrzeug nach rechts ausbrach und er nichts dagegen tun konnte. Der Astra krachte gegen die Leitplanke, überschlug sich mehrmals und blieb schließlich mitten auf der vierspurigen Autobahn auf dem Dach liegen. Dann wurde es dunkel um Peter Schulze.
Donnerstag, 9.30 Uhr
Julia Durant und Frank Hellmer hatten sich bereits von Berger verabschiedet, um noch einmal in die Wohnung von Helena Maric und anschließend zu Ramona Wiesner zu fahren, als der Autopsiebericht von Helena Maric durchgeschickt wurde. Sie blieben noch einen Moment und lasen schweigend. »Helena Maric, einsvierundsechzig groß, gute körperliche Verfassung. Zeitpunkt des Todes: Dienstag, 20. 6. 00 gegen 23.30 Uhr. Tod durch Erdrosseln mit einer dünnen Drahtschlinge. Unmittelbar vor dem Tod oraler, vaginaler und analer Geschlechtsverkehr, Spermaspuren sowohl im Mund als auch im Vaginal- und Analbereich. Die aus dem Sperma identifizierte Blutgruppe A positiv. Keine weiteren Zeichen von Gewaltanwendung. Im Magen Reste von Rotwein, Cognac, Reis, Tomaten, Zwiebeln und Rindfleisch. Keine Spuren von Betäubungsmitteln …«
»Die Dame hat nichts ausgelassen«, bemerkte Hellmer lakonisch.
»Was meinst du damit?«, fragte Durant mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Gut essen, gut trinken, gut …« Er grinste sie an.
»Und was gut? Sterben?«, sagte sie sarkastisch. »Was immer sie in ihrem Bett getrieben hat, es ist mir scheißegal, kapiert? Ich muss noch mal schnell bei Morbs anrufen.«
Sie tippte die Nummer ein, er war selbst am Apparat.
»Morbs.«
»Hier Durant. Ich habe gerade eben Ihren Bericht gelesen. Könntees sein, dass Frau Maric in dem Moment umgebracht wurde, als sie einen Orgasmus hatte?«
»Sehr schlau von Ihnen, Frau Durant. Es deutet alles darauf hin. Sie hat aber mit ziemlicher Sicherheit nicht nur einen Orgasmus gehabt, sondern gleich mehrere in kurzen Abständen hintereinander. Sie muss unmittelbar vor Eintritt des Todes körperlich schon sehr erschöpft gewesen sein, denn wir haben einen starken ATP-Mangel festgestellt. Es gibt zwei Möglichkeiten dafür. Die eine ist, dass derjenige, mit dem sie geschlafen hat, Sexualpraktiken bevorzugte, die sehr schmerzhaft sind, was aber nicht bedeuten muss, dass die Person, der dieser Schmerz zugefügt wird, diesen Schmerz auch als unangenehm empfindet. Die Ursachen, warum jemand ›gerne‹ Schmerzen erduldet, können von einem Psychologen besser beantwortet werden. Nichtsdestotrotz führt dies zu einer erheblichen Schwächung des Körpers. Die andere Möglichkeit besteht darin, dass Frau Maric eben multiple Orgasmen
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