Das Syndikat der Spinne
hatte, die ebenfalls zu einer Schwächung führen können. Auch durch diese Schwächung kann ein ATP-Mangel entstehen, weswegen es für den Täter ein Leichtes ist, sein Opfer zu töten. Ich tendiere allerdings zu Möglichkeit Nummer eins, denn sie hatte sehr ausgiebigen Analverkehr, worauf mehrere Risswunden am Schließmuskel sowie hohe Spermakonzentrationen im Darm hinweisen.«
»Gäbe es unter Umständen auch noch eine dritte Möglichkeit?«, fragte Durant.
»Ich weiß zwar nicht, was Sie meinen, aber Sie haben sicherlich eine im Hinterkopf, oder?«
»Was ist, wenn Frau Maric, sagen wir, einige Tage vor ihrem Tod bis zu ihrem Tod unter extremem emotionalen und seelischen Stress gestanden hat? Wenn wir diese extreme Stresssituation und die mit dem Geschlechtsverkehr verbundene Erschöpfung zusammennehmen …«
»Das ist allerdings eine Möglichkeit. Dieser ATP-Mangel kann durchaus schon in den Tagen zuvor entstanden sein. Sie wissen ja sicherlich, dass der von Ihnen angesprochene seelische und emotionaleStress auch zu einer körperlichen Schwächung führen kann. Dann haben wir noch eine nicht unerhebliche Alkoholkonzentration festgestellt, 1,2 Promille zum Zeitpunkt des Todes. Alles in allem könnte Ihre Theorie durchaus hinkommen.«
»Danke, Professor. Das war’s schon. Schönen Tag noch.«
Sie legte auf und machte Hellmer ein Zeichen. Auf dem Weg nach unten sagte Hellmer: »Du willst dich also tatsächlich mit Küchler anlegen. Meinst du, das geht gut? Du riskierst eine Menge, unter Umständen sogar deinen Job.«
»Egal. Außerdem leg ich mich jetzt noch nicht mit ihm an. Wir überprüfen ihn erst mal. Lass uns lieber fahren, und zwar zunächst zur Maric. Mal sehen, ob wir dort irgendwelche Aufzeichnungen finden.«
»Okay, zur Maric. Aber trotzdem, Julia, ich will dich nur warnen, und das als Freund. Küchler sitzt am längeren Hebel, der macht dich kalt, wenn er spitzkriegt, dass du deine Nase in sein Leben steckst.«
»Das werden wir ja sehen. Und wenn er der Kanzler persönlich wäre, ich … Dieses gottverdammte Arschloch glaubt doch tatsächlich, er sei der Allmächtige. Dabei ist er nur ein lausiger Sesselfurzer.«
Sie kamen gerade im Kettenhofweg an, und Hellmer versuchte den Lancia rückwärts in eine enge Parklücke zu lenken, als das Handy von Durant klingelte.
»Hier Berger. Raten Sie mal, wer eben angerufen hat. Küchler. Er hat gemeint, das vorhin sei alles ein großes Missverständnis gewesen, er habe da was falsch verstanden. Selbstverständlich können wir den Fall weiter bearbeiten.«
»So ein Idiot«, sagte Durant. »Aus welchem Grund auch immer er einen Rückzieher macht, bestimmt nicht, weil es ein Missverständnis war. Der merkt, dass er sich im Augenblick auf sehr dünnem Eis bewegt. Wir behalten ihn im Auge. Am besten wäre es, wenn Kullmer das unauffällig erledigen könnte. Er hat bei Gebhardt fantastische Arbeit geleistet, warum sollte er das bei Küchler nichtauch können. Sagen Sie ihm Bescheid. Und danke für die Mitteilung.«
»Gern geschehen, liebe Kollegin.«
»Wow«, entfuhr es Hellmer, »das ist ja ein Ding. Wieso macht der auf einmal einen Rückzieher? Kannst du mir das verraten?«
»Weil er Angst hat. Frag mich aber nicht, wovor oder vor wem. Doch Kullmer wird’s sicher rauskriegen.«
Sie stiegen aus, gingen zum Haus, schlossen die Tür auf und begaben sich in den vierten Stock. Das Polizeisiegel war unversehrt, Hellmer durchtrennte es mit dem Schlüssel. Sie traten ein, die Luft war schwül und stickig. Nachdem sie die Balkontür und ein Fenster aufgemacht hatten, begannen sie mit der Durchsuchung. Sie fanden alles Mögliche, Fotoalben, ein paar Bücher, Schulzeugnisse, Briefe, die sie von ihren Eltern erhalten hatte. Bei einem fragte Durant, als sie ein Foto in der Hand hielt: »Wer ist das?«
»Ihr Sohn, warum?«
»Die hat einen Sohn? Wieso weiß ich nichts davon?«, sagte Durant ärgerlich.
»Güttler hat die Info heute Morgen auf deinen Schreibtisch gelegt. Selbst schuld, wenn du den mit Missachtung strafst«, meinte Hellmer schulterzuckend.
»Heute Morgen war so viel los, ich hab das Zeug gar nicht bewusst wahrgenommen. Also, sie hat einen Sohn. Wo ist er und wie alt?«
»Bei ihren Eltern in Kroatien. Er ist dort eingeschult worden und ist zwölf Jahre alt, Boss. Steht aber auch alles in den Akten.«
Sie blieben eine Stunde in der Wohnung, durchsuchten jede Schublade, jeden Schrank, sahen hinter Bilder, zwischen Bücher, CDs. Nichts. Enttäuscht
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