Das Syndikat der Spinne
wie in Trance nach Hause, stellte den BMW in die Garage und ging hinein.
Sie zog sich aus, stopfte die Sachen in die Waschmaschine und stellte sie an. Dann duschte sie zum zweiten Mal an diesem Tag. Anschließend rief sie ihre Eltern an und erkundigte sich nach den Kindern. Sie war innerlich ganz ruhig, sprach fast eine halbe Stunde mit den Kindern. Den Aktenkoffer von Thomas Wiesner deponierte sieim Arbeitszimmer ihres Mannes, die Waffe legte sie an ihren ursprünglichen Platz zurück. Irgendwann später würde sie den Koffer öffnen, nur jetzt noch nicht. Sie setzte sich ans Klavier und ließ ihre Finger einfach über die Tasten gleiten und spielte ein Stück von Chopin. Während sie spielte, dachte sie nach. Noch erschien ihr alles wie ein unwirklicher, surrealer Traum. Aber sie wusste, es würde nicht mehr lange dauern, bis sie daraus erwachte.
Freitag, 18.45 Uhr
Julia Durant hatte noch ein paar Lebensmittel für das Wochenende eingekauft und traf fast zeitgleich mit Dominik Kuhn zu Hause ein.
»Hi«, sagte er und umarmte sie, »du bist ja schon da. Wollen wir heute Abend etwas unternehmen? Ins Kino vielleicht?«
»Nein, heute nicht«, antwortete Durant und löste sich aus seiner Umarmung. »Mir ist heute nicht nach weggehen. Ich möchte lieber mit dir reden.«
»Was ist los mit dir?«, fragte Kuhn.
»Später. Ich brauch jetzt erst mal einen Moment Ruhe.«
»Und ich hab alles dabei, was Peter in seinem PC gespeichert hat. Ich hab das Zeug auf Diskette überspielt und auch seine Diskette aus dem Schreibtisch mitgenommen. Anschließend hab ich alles, was mit dieser Serie zu tun hat, von der Festplatte gelöscht.«
»Und wenn die andern das spitzkriegen?«, fragte Durant und packte die beiden Tüten aus.
»Was sollen sie denn spitzkriegen?«, sagte er grinsend. »Das hat gerade mal zwei Minuten gedauert, und ich hab’s gemacht, als fast keiner in der Redaktion war. Und wie war dein Tag?«, fragte er dann, während er sich eine Dose Bier aus dem Kühlschrank holte.
»Lausig«, war die knappe Antwort. Sie knüllte die Tüten zusammen und steckte sie in den Besenschrank zu den andern Tüten. »Ichmuss heute mal ein bisschen Ordnung machen. Hilfst du mir dabei?«
»Ich dachte, wenn wir schon hier bleiben, könnten wir vielleicht mal den Bericht von Peter durchschauen«, erwiderte Kuhn.
»Nachher. Ich ertrage das Chaos hier nicht mehr. Die Wäsche muss in die Waschmaschine, es muss gesaugt und staubgewischt und mal wieder ordentlich durchgelüftet werden. Und dabei will ich laut Musik hören.«
»Eben hast du noch gesagt, du würdest ein wenig Ruhe brauchen, und jetzt auf einmal willst du Großreinemachen. Was hast du bloß?«
Julia Durant blieb mit dem Rücken zu Kuhn stehen, atmete ein paarmal tief ein und aus und drehte sich um.
»Du willst also wissen, was ich habe. Gut, ich werde es dir sagen.« Sie setzte sich auf die Couch, die Ellbogen auf die Schenkel gestützt, die Augen geschlossen. »Gebhardt, ich hab dir von ihm erzählt …«
»Der korrupte Bulle?«
»Genau der. Er wurde heute Morgen im Untersuchungsgefängnis umgebracht.«
»Was? Wie kann denn so was passieren?«
»Er wurde in der Dusche erstochen. Aber angeblich gibt es keine Zeugen, niemand hat einen Streit gehört oder gesehen, alles war so friedlich wie auf einem Kindergeburtstag. Toll, was?«
»Und was denkst du, wer es war?«
»Entweder ein Wärter oder ein Häftling. Der Befehl, Gebhardt zu liquidieren, muss auf jeden Fall von außen gekommen sein.«
»Und Gebhardt wäre eure letzte Chance gewesen, stimmt’s?«
»Wir fangen jetzt wieder bei null an. Und das ist die große Scheiße. Ich weiß nicht, was hier wirklich abgeht, aber das ist schlimmer als jeder Fall, den ich bisher zu bearbeiten hatte. Bei einem normalen Mord, aus welchen Gründen auch immer er begangen wird, hast du meist recht schnell ein ziemlich klares Motiv in der Hand. Bei Serienmördern dauert es zwar manchmal recht lange, bis du sie geschnappt hast, aber letztendlich macht jeder von ihnen einmal einenFehler. Doch das hier ist etwas anderes. Da spielt sich etwas ab, das ich einfach nicht greifen und begreifen kann. Und sollten diese Morde tatsächlich von einem oder mehreren Auftragskillern begangen worden sein, wovon ich ausgehe, dann haben wir es mit organisiertem Verbrechen zu tun, davon bin ich inzwischen auch überzeugt. Und dann scheint es mir fast unmöglich, an die Leute ranzukommen. Die sind immer einen Schritt schneller als wir.«
»Moment«,
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