Das Syndikat der Spinne
Einsatz für sein Volk letztendlich sein Einsatz für sich selbst war. Und Blumenthal …« Kuhn zuckte erneut mit den Schultern. »Die Eltern so unglaublich reich, dass keiner weiß, wie viel sie wirklich besitzen, und dazu gesellt sich ganz zwangsläufig eine gewisse politischeMacht. Da kommt einfach eins zum andern, Finanzmacht und die Macht des Gesetzes. Für mich ist Blumenthal einfach nur ein Ekelpaket, und das sage ich, weil ich ihn kennen gelernt habe. Wenn du mit ihm unter vier Augen sprichst, gibt er sich ganz anders als bei seinen öffentlichen Auftritten. Und so was kotzt mich an. Ich weiß von einigen, die ihn interviewt haben, wie sie von ihm in geradezu arroganter Weise abgekanzelt wurden. Solange du ihm nach dem Mund redest, ist alles okay.«
»Ist das nicht ein bisschen sehr übertrieben? Ich meine, ich kenne die Geschichte von dem andern nicht, aber Blumenthal kenne ich wenigstens einigermaßen, und so schlimm, wie du ihn hinstellst, ist er nun auch wieder nicht.«
»Ich kann nur sagen, wie
ich
Blumenthal erlebt habe. Ich hatte einen Interviewtermin mit ihm, als er gerade zum Generalstaatsanwalt ernannt wurde. Ich habe ihm keine verfänglichen Fragen gestellt, habe nur wissen wollen, ob er glaube, dass der in Deutschland angeblich noch immer herrschende Antisemitismus nicht zu sehr von den jüdischen Gemeinden hochgespielt werde. Da hättest du ihn mal erleben sollen, wie er mich angegiftet hat. Damit war das Interview natürlich beendet. Du kannst darüber denken, wie du willst, wir haben zum Glück Meinungsfreiheit, und ich habe mir meine Meinung gebildet. Vielleicht war aber auch meine Frage nur blöd gestellt, ich weiß es nicht.« Kuhn sah Durant an, die seinen Blick nur kurz erwiderte.
»Ich kann dazu überhaupt nichts sagen, sorry. Und so ein schlechter Generalstaatsanwalt ist er nun auch wieder nicht.«
»Aber seine Phrasen von gestern oder den ganzen Quatsch, den er manchmal so von sich gibt, kannst du getrost vergessen. Das ist leeres Politikergeschwätz. Schön die Öffentlichkeit in Sicherheit wiegen, sagen, wie toll die Polizei doch ist, was alles getan wird, um gegen das organisierte Verbrechen vorzugehen und so weiter und so fort. Der redet kein Stück anders als unsere werten Herrn Politiker – Phrasen, Phrasen, Phrasen. Er macht’s genau wie die meisten unserer Politiker, denen das Wohl des Volks am Arsch vorbeigeht,Hauptsache sie können sich die Taschen füllen. Aber das ist meine ganz persönliche Einschätzung von ihm.«
»Würdest du ihm denn zutrauen, in unlautere Geschäfte verwickelt zu sein?«, fragte Durant, nachdem sie den letzten Bissen von ihrem Brot runtergeschluckt hatte.
»Ach komm, das ist eine unfaire Frage. Dazu muss man nicht Blumenthal heißen. Jeder kann in unlautere Geschäfte verwickelt sein. Keine Ahnung, die Frage ist jedenfalls nicht fair.«
»’tschuldigung, ich bin nur etwas durcheinander.«
»Nee, tut mir auch Leid, was ich alles gesagt habe. Vergessen wir das Thema. Bei dem Namen Blumenthal seh ich nun mal nur rot. Vielleicht ist er ja wirklich ganz anders …«
»Willst du nicht doch mit ins Bett kommen? Ich rauch jetzt noch eine, und dann geh ich rüber, ich kann nicht mehr.«
»Noch ’n bisschen kuscheln?«
»Kuscheln ja, aber nur kuscheln.«
»Klar.«
Noch vor den Tagesthemen gingen sie zu Bett. Julia Durant schmiegte sich in Kuhns Arm. Sie sprachen nicht, nur vereinzelt drangen Geräusche von der Straße nach oben. Sie schlief in seinem Arm ein, er stand um halb elf wieder auf und machte den Fernseher an. Ein Psychothriller. Genau das Richtige für ihn. Zum Abreagieren.
Sonntag, 14.30 Uhr
Julia Durant hatte fast zwölf Stunden geschlafen und danach mit Kuhn ausgiebig gefrühstückt. Sie waren eine Stunde spazieren gegangen und hatten dabei über alles Mögliche geredet, nur nicht über den Fall, den sie gerade bearbeitete. Doch so sehr sie sich auch bemühte, es gelang ihr nicht, völlig abzuschalten. Nach dem Spaziergang setzten sie sich auf die Couch. Sie nahm das Buch von Patricia Cornwell, das sie schon vor zwei Wochen zu lesen begonnen hatte, zur Hand, las, wusste aber bereits nach wenigenZeilen nicht mehr, was sie eigentlich gerade gelesen hatte. Sie legte es wieder auf den Tisch und sah Kuhn an, der die
Bild am Sonntag
studierte und ihren Blick nicht bemerkte. Sie stand auf, ging zum Telefon und tippte die Nummer von Natascha ein. Kuhn sah kurz auf, sagte aber nichts, sondern vertiefte sich gleich wieder in die
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