Das Syndikat der Spinne
klares, freiwilliges Geständnis von dir. Und anschließend wirst du auch noch diesen Wisch hier unterschreiben. Ist nur ein schriftliches Geständnis. So ’ne Art Absicherung. Sobald wir das haben, kannst du gehen.«
»Das könnt ihr nicht von mir verlangen. Wozu braucht ihr das?«, fragte Gebhardt mit ängstlichem Blick, während er sich noch immer unter Schmerzen wand.
»Nur als Sicherheit, hab ich doch schon erwähnt. Wir können dir vorher natürlich auch noch ein paarmal in die Fresse hauen, aber ich muss dir ganz ehrlich sagen, ich fasse nur ungern Scheiße an. Und Scheiße stinkt so ekelhaft, ich finde, hier drin stinkt es jetzt sowieso schon ganz erbärmlich. Ich glaube, das liegt nur an deiner Anwesenheit. Und jetzt, Herr Oberkommissar Gebhardt, sprich schön langsam und deutlich.«
Gebhardt warf Kullmer und Hellmer einen verächtlichen Blick zu. Allmählich schien er sich wieder zu fangen. Aber zugleich wurde ihm offenbar immer klarer, dass er keine Chance gegen die beiden hatte. Deshalb fügte er sich in das Unvermeidliche und legte ein komplettes Geständnis auf Band ab und unterschrieb zuletzt noch das vorbereitete schriftliche Geständnis.
Es war fast zwanzig Uhr, als sie die Fabrik wieder verließen. Sie brachten Gebhardt zurück in die Gutleutstraße zu seinem Wagen. Er hatte Mühe zu laufen, und bevor er einstieg, musste er sich übergeben.
Kullmer ging zu ihm und sagte mit unerbittlicher Schärfe: »Noch was. Solltest du morgen nicht im Büro sein, hol ich dich persönlich zu Hause ab und schleif dich an den Haaren her. Und dabei ist es mir scheißegal, ob Fronleichnam ist und du mit deiner Familie einen Ausflug geplant hast oder ob du krank bist oder was auch immer. Ist das klar?«
Gebhardt nickte nur, rang nach Luft und sah Kullmer aus roten Augen an.
»Meinst du, der hält Ruhe?«, fragte Hellmer, nachdem Gebhardt losgefahren war und sie wieder bei ihren Autos waren.
»Ich in seiner Situation würde es tun. Sobald wir den Fall abgeschlossen haben, geht das Band sowieso an einen Richter. Gebhardt hat ausgedient, im wahrsten Sinne des Wortes. Und jetzt nach Hause. Ich hab die Schnauze gestrichen voll.«
Mittwoch, 18.00 Uhr
Peter Schulze hatte sich mit Igor Andrejew für achtzehn Uhr in dessen Haus verabredet. Er kam pünktlich in Falkenstein an, stellte seinen erst vor wenigen Wochen gekauften Opel Astra ab und nahm sein Handy, das Diktiergerät und etwas zu schreiben mit. Bevor er ausstieg, rief er noch schnell bei seiner Frau an und sagte ihr, dass er gegen zwanzig Uhr zu Hause sei. Andrejew wohnte in einer schmucken Villa am Hang, von wo aus er einen herrlichen Blick auf das im Tal liegende Frankfurt hatte. Schulze drückte auf die Klingel und wartete. Wenig später erschien ein etwa fünfzigjähriger Mann und kam zum Tor.
»Herr Schulze?«, fragte er.
»Ja. Und Sie sind Dr. Andrejew, nehme ich an.«
»Treten Sie doch bitte ein, ich habe Sie schon erwartet.«
Schulze folgte dem kleinen hageren Mann mit dem schütteren grauen Haar ins Haus. Andrejew trug eine leichte Sommerhose und ein Poloshirt. Im Haus war es im Gegensatz zu draußen sehr kühl. Andrejew hatte, wie Schulze sofort bemerkte, sehr schmale, fast filigrane Hände, einen kleinen Oberlippenbart, der mittlerweile auch grau war, eisgraue und doch auf eigentümliche Weise warme Augen. Seine Stimme war leise und sanft, seine gesamte Ausstrahlung hatte etwas Nobles.
»Gehen wir doch ins Wohnzimmer«, sagte Andrejew mit leicht russischem Akzent. Es war ein modern eingerichteter Raum, in dem außer einem silbernen Samowar und zwei Bildern, die Moskau im Winter des 19. Jahrhunderts zeigten, nichts an die russische Vergangenheit von Andrejew erinnerte. Er deutete auf einen Sessel undfragte: »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Ein Bier oder Wodka auf Eis?«
»Zu einem Bier sage ich nicht Nein.«
Andrejew holte eine Flasche Bier für Schulze und eine Flasche Wodka für sich sowie zwei Gläser. Er schenkte erst Schulze ein, gab dann in sein Glas etwas Eis und eine Zitronenscheibe und füllte es zur Hälfte mit Wodka. Sie prosteten sich zu und tranken.
»Dr. Andrejew, Sie wissen ja, weshalb ich gekommen bin. Ich werde Ihnen ein paar Fragen stellen, und es liegt natürlich ganz an Ihnen, ob Sie sie beantworten oder nicht.«
Andrejew lehnte sich zurück, lächelte und entblößte dabei lückenlos weiße Zähne. Er war ein sympathischer, offener Mann. »Herr Schulze, ich möchte vorab etwas klären. Ich habe mich
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