Das Syndikat
Roth war damals, vor zwölf Jahren, Abteilungsleiter beim Rüstungskonzern Jennewein in Düsseldorf. Koch und Roth haben sich offenbar gut verstanden. Auf dem Foto haben sie immerhin vier leere und zwei volle Biergläser vor sich stehen. Und ich wette, dabei sind ein paar nette Millionengeschäfte rausgekommen.«
Lee schickte ihr ein Foto von Roth. Als sie es betrachtete, stutzte sie. Ein sympathisches Gesicht mit einem freundlichen Ausdruck, irgendwie kam es ihr bekannt vor. Oder glaubte sie es nur, weil es so ... so normal aussah, so alltäglich?
»Und dieser Roth soll ein Killer sein?«
»Er ist ein Psychopath. Wir wissen doch, Serienkiller sind meistens auch ganz nette Menschen«, sagte Lee, »er wohnt über seiner Firma, im obersten Geschoss. Ich bin sicher, der Typ hat irgendwas zu tun mit der ganzen Sache.«
»Es sei denn, jemand hat ihm seinen Porsche gestohlen.«
»Haben wir schon gecheckt. Nein.«
»Wenn sich Nyström meldet, sag ihm ...« Sie brach ab.
»Was?«
Ja – was? »Ach ... nichts. Ich melde mich wieder.«
»Karen, warte! Du fährst jetzt nicht zu diesem Roth!«
Roth war die einzige Spur, der einzige Anhaltspunkt. Sie legte auf. Noch jemanden, der sie warnte, brauchte sie nicht.
Roth. Rue de la Loi. Das war die einzige Spur.
In diesem Augenblick hörte sie im Radio eine neue erschütternde Nachricht.
80
Brüssel
Biowaffenalarm.
Roth genoss den Ausblick von seinem Apartment im obersten Stockwerk, ließ seinen Blick hinüber zum kühn geschwungenen Berlaymont-Gebäude der Europäischen Kommission wandern und strich dabei über sein perfekt rasiertes Kinn. Jedes Mal, wenn er sich klarmachte, dass er seine Fäden bis dort hinein hatte spinnen können, spürte er Stolz.
Vor knapp dreißig Minuten hatte die Brüsseler Polizei den anonymen Hinweis erhalten, sie solle sich den blauen Lieferwagen einer Installationsfirma, geparkt am Boulevard Anspach, also mitten im Zentrum, näher ansehen.
»Schließen Sie Fenster und Türen, schalten Sie Klimaanlagen und Lüftungssysteme ab, gehen Sie nicht auf die Straße«, lauteten die Ansagen im Fernsehen und Radio. Gleich würde ein Behälter im Gare Central hochgehen.
Er wandte seinen Blick vom Fenster ab, hielt kurz die Luft an und stach die Injektionsnadel mit dem Impfserum in seinen Oberarm. So, jetzt konnte ihm nichts passieren. Er zog die Nadel heraus und warf sie in den Papierkorb.
Das Fernsehen konnte gar nicht genug davon kriegen, die amerikanische First Lady Darlene Redmond und ihre Tochter zu zeigen, wie sie sich impfen ließen. Mit einem einstudierten zuversichtlichen Lächeln auf dem Gesicht setzte sie sich in einen Sessel. Sie trug ein ziemlich teuer aussehendes ärmelloses blaues Kleid. Ein Arzt in weißem Kittel, dessen Gesicht nur kurz zu sehen war, desinfizierte eine Stelle am Oberarm und gab ihr dann die Injektion.
Ein Sprecher erklärte, dass das Serum in einem Chip gespeichert sei und somit erst dann in den Körper gelange, wenn es dort auch benötigt werde. Diese Methode sei die schonendste und die allerneueste. Zusätzlich würden die persönlichen Daten gespeichert, da aus Sicherheitsgründen, um weitere Ansteckungen zu vermeiden, nur noch geimpfte Personen Zugang zu bestimmten Orten hätten.
Rund fünfzehn Minuten vor diesen Aufnahmen hatten der belgische Geheimdienst, das Büro des belgischen Innenministers, der Fernsehsender CNN und Lanzelot folgende Mitteilung per Mail zugesandt bekommen:
Wir bekennen uns zu der Zerstörung des gotteslästernden Ortes Le Chameau Noir mitsamt seinen ungläubigen Gästen, die Lügen über uns und unsere Religion verbreiten. Stoppt den Krieg gegen uns und unsere Länder! Solange ihr nicht aufhört, geht unser Kampf weiter, bis ihr gelernt habt, Respekt zu zeigen!
Der Absender war verschlüsselt und nicht zurückzuverfolgen.
Eine zweite Nachricht folgte kaum zwei Minuten später:
Wir sind im Besitz von Behältern mit tödlichen Pestbakterien. Wir werden mehrere davon in der Hauptstadt des ungläubigen und frevelhaften Europas öffnen. Ein Ort wird ein Bahnhof sein. Ein anderer der, wo die Ungläubigen ihr Geld scheffeln. Und es werden andere Städte folgen.
Glühender Halbmond hatte Roth die islamistische Vereinigung genannt, er lachte leise.
Lanzelot hatte die Nachrichten unverzüglich auf seine Homepage gestellt, wie Roth feststellte, der Fernsehsender brachte die Meldung wenige Minuten später.
Gedankenverloren ließ Roth seinen Blick zum Triumphbogen des Jubelparks
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