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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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Verfolger gegeben und ihre Nerven spielten verrückt. Ein Brandy wäre jetzt recht, ja, der würde sie beruhigen. Halt die Klappe, sagte sie zu ihrer inneren Stimme.
    Nyström wollte sie abholen, hatte er am Telefon gesagt. Aber er war nicht da. Brüssel besetzte an sich schon einen Spitzenplatz, was die Kriminalitätsskala europäischer Städte anging, aber die Gegend hier und weiter Richtung Rue de la Perle zählte zu den gefährlichsten. Sie wurde von algerischen Jugendbanden terrorisiert, die mit Drogen und gestohlenen Kleidungsstücken handelten. Zwei Kollegen einer irischen Zeitung waren hier unlängst überfallen worden.
    Karen wartete. Es fing wieder an zu schneien. Dieser Winter hört nie auf, dachte sie, und dann sah sie sich wieder nach der Preisverleihung zum Restaurant gehen, David hinter der Scheibe und ...
    »Karen?«, flüsterte eine Stimme hinter ihr.
    Der Mann in schwarzer Daunenjacke war eindeutig nicht Jens Nyström. Er war größer als Nyström, seine Haut war dunkler, und seine Augen waren mandelförmig, wie bei einem Asiaten, eine schwarze Strickmütze verdeckte seine Haare. Das war schon alles, was sie auf die Schnelle und in der Dunkelheit erkennen konnte.
    »Ich bin Lee. Ich soll dich abholen. Wo hast du dein Handy?« Er sprach Englisch.
    »Ich hab den Akku rausgenommen.«
    »Okay. Ist dir jemand gefolgt?«
    »Nein, ich glaube nicht.« Den Vorfall im Bus erwähnte sie nicht, vielleicht hatte sie sich das alles ja auch nur eingebildet.
    Er musterte sie, als könnte er ihre Gedanken lesen, dann sagte er: »Gehen wir.«
    Sie folgte ihm auf die andere Straßenseite und schlüpfte hinter ihm unter einem hochgebogenen Drahtzaun hindurch auf einen großen Parkplatz. Dort, im Schutz eines parkenden Lkws drehte er sich zu ihr um, etwas Metallenes glänzte in seiner Hand.
    Sie erschrak. Also doch! Er hatte sie getäuscht!
    »Sorry«, sagte er, »ich muss das tun.«
    Jetzt erst identifizierte sie das metallene Ding als einen Scanner.
    »Bleib stehen und streck die Arme aus.«
    Die Pistole fand er natürlich sofort. »Gib sie mir«, sagte er nur.
    »Nein.« So einfach würde es nicht gehen.
    Er überlegte einen Moment.
    »Okay«, sagte sie, »ich nehm das Magazin raus.«
    Dass er nicht widersprach, wunderte sie.
    Der Scanner piepste, als er über ihren Rücken fuhr. Zwischen seinen Fingern hielt er einen knopfgroßen Sender.
    »Im Bus«, sagte sie langsam, »da war so ein Typ.« Also doch keine Einbildung, aber sie wusste nicht, ob sie erleichtert sein sollte oder noch beunruhigter. Verfolgte der Geheimdienst sie also doch?
    Er warf den Sender in den Gully.
    »Der schwimmt jetzt ins Meer, oder?« Sie versuchte, locker zu klingen, auf keinen Fall besorgt oder unsicher.
    Er zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich zuerst in eine Kläranlage.«
    Ach ja, so viel Humor! Dabei war er doch Engländer, oder?
    Das milchige Licht einer Laterne fiel auf Lees Gesicht, und für einen Moment trafen sich ihre Blicke. Irgendetwas ließ sie zurückzucken, sofort verschloss sie sich.
    »Okay, gehen wir?«, fragte sie rasch.
    Schweigend ging er los.
    Dunkelheit umfing sie, keine der Straßenlaternen funktionierte, überhaupt wirkte die Gegend, als hätten ihre Einwohner schon vor langer Zeit ihr Leben hier aufgegeben und wären weggezogen. Ein Schatten lenkte Karens Blick zu einem Hauseingang.
    »Wer wohnt hier?«, fragte sie leise, sie blieb dicht an Lees Seite.
    »Illegale, Junkies ...«
    Für diese Seite Brüssels hatte sie sich nie interessiert, musste sie sich eingestehen. Ja, Michael hatte recht, sie musste immer weit wegfahren, um Missstände aufzudecken, als ob es hier, vor ihrer Haustür, keine gäbe. Vielleicht wollte ich mir ja die Illusion von Sicherheit in meiner nächsten Umgebung bewahren, dachte sie.
    Sie versuchte, sich den Weg zu merken. Eine Angewohnheit. Zu oft schon war sie in Situationen geraten, in denen es darauf ankam, so schnell wie möglich zum Ausgangspunkt zurückzukommen, dorthin, wo das Auto stand oder ein Unterschlupf war.
    Sie wich einem Hund aus, der an den Hauswänden vorbeistreifte und seine Duftmarken hinterließ, und ihr fiel der braune Hund ein. Irgendwie hatte sie das Gefühl, als wollte er ihr etwas sagen, aber sie verstand ihn nicht, und da gab er auf. Auf einmal tat er ihr leid. Es war kalt, und er war sicher hungrig. Sie hätte ihn einfach reinholen sollen. Warum hast du es nicht getan?, fragte sie sich. Wovor wolltest du dich drücken? Wieder mal vor deinen Gefühlen?
    Lee

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