Das Syndikat
gutheißen? In all den Jahren hatten sie ihre Geburtstage immer miteinander gefeiert.
»Könnten wir die ganze Sache nicht verschieben?«
»Leider nein, unmöglich. Es ist dringend, hat man mir gesagt.« Chuck stellte die Wasserflasche auf den Boden zwischen seine staubigen Schuhe.
»Wer hat es dir gesagt?«
Er schob den Krawattenknoten hin und her. »Syd, Syd hat es gesagt.«
Irgendetwas stimmte nicht. Sie musste unbedingt mit Syd reden.
Chuck klopfte an die Trennscheibe. »Ich steig hier aus. Muss noch was besorgen. Christine und ich haben Hochzeitstag, ich flieg nachher zurück und will sie mit was Nettem überraschen.«
»Sag ihr schöne Grüße.« Darlene war in Gedanken schon bei ihrem Gespräch mit Syd.
»Mach ich.« Der Wagen hielt, er stieg aus, dann beugte er sich noch einmal zu ihr hinunter. »Ich schicke dir ein paar amerikanische Mineralwasser zur Probe.«
»Tu, was du nicht lassen kannst.«
Der Wagen fuhr wieder los.
Sie war sich sicher, es steckte noch etwas anderes hinter dieser Idee, sie ausgerechnet an Syds Geburtstag nach Brüssel zu schicken. Vielleicht hatte er etwas vor, von dem sie nichts wissen sollte ... oder von dem ihr Besuch in Brüssel ablenken sollte.
17
Brüssel
Es schneite nicht mehr, als Karen um kurz nach neun das Haus verließ. Sie hatte Angst.
Métro-Station Comte de Flandre, zweiundzwanzig Uhr. Kommen Sie allein, kein Handy, vergewissern Sie sich, dass Ihnen niemand folgt, sagen Sie niemandem etwas.
Sie hatte seine Stimme sofort wiedererkannt. Merkwürdigerweise fühlte sie sich ein wenig ruhiger. Dabei hatte sie keine Ahnung, wer Nyström war und worauf sie sich einließ. Sie wusste nur: Er war eine Spur, die sie weiterführte.
Michael war zu einem Meeting gegangen. Hatte er nicht etwas von der Organisation einer Segelregatta bei Malta gesagt? Er war noch nicht wieder zurück.
Als sie von der Telefonzelle zurückgekommen war, hatte er schon die Haustür aufgerissen, als hätte er die ganze Zeit dahinter gewartet.
»Du hörst mir jetzt zu!«, hatte er angefangen und all ihren Widerstand geweckt. Er packte sie an den Schultern. »In den letzten vierundzwanzig Stunden hab ich dich zwei Mal aus einem totalen Schlamassel rausgeholt. Du bist beinahe getötet worden bei einem Bombenanschlag. Du bist von irgendwelchen Männern gejagt worden. Und jetzt willst du mir nicht sagen, was vor sich geht? Was das alles zu bedeuten hat? Glaubst du, du kannst alles mit mir machen, wie es dir gerade gefällt?«
Und sie? »Du tust mir weh«, hatte sie mit einem Blick auf ihre Schultern gesagt und sich an ihm vorbei in die Küche geschoben. Was sollte sie ihm erklären? Er würde nicht verstehen, dass sie nicht einfach wegsehen konnte und so tun, als ginge sie das alles nichts an.
Wer hat David umgebracht? Und warum? Wer war Nyström? Und was hatte er mit dem Anschlag zu tun?
Sie sah aus dem Fenster, es schneite wieder. Und der braune Hund war auch wieder da. Er kam über die Straße und setzte sich vors Gartentor, als würde er auf etwas warten. »Weißt du, wem der Hund gehört? Er sieht hungrig aus«, sagte sie und wandte den Kopf.
Michael stand im Türrahmen und starrte sie an. Seine Lippen bebten vor Zorn, und seine olivfarbene Haut war auf einmal kalkweiß. Abrupt drehte er sich um und ging hinaus.
Sie blieb noch eine Weile am Fenster stehen und sah wieder hinaus.
Man müsste ihn reinholen. Ihm was zu fressen geben, ihn abtrocknen, hatte sie gedacht. Da war er plötzlich aufgestanden und weitergetrottet.
Bevor sie das Haus verlassen hatte, hatte sie überlegt, ob sie Michael eine Nachricht hinterlegen sollte, einen altmodischen Zettel auf dem Esstisch, doch dann hatte sie es gelassen. Was, wenn der Geheimdienst in die Wohnung eindringen würde? Je weniger Spuren und Anhaltspunkte sie fanden, desto besser.
Am Nachmittag hatte es zweimal geläutet, aber sie war nicht hingegangen, war einfach auf der Couch sitzen geblieben, hatte dauernd an ihre Schmerztabletten gedacht und auf den ausgedruckten Zeitungsartikel über Jens Nyström gestarrt.
Computerhacker auch Mörder?
Gegen den Computerhacker Jens N. (34) wird erneut Anklage erhoben. Er soll seine Ehefrau (31) erdrosselt haben, weil sie ihm mit Scheidung drohte.
Jens N. leugnet. »Das ist wieder ein Versuch, mich auszuschalten.« Er sitzt derzeit in Untersuchungshaft. Sein Anwalt vermutet eine Verschwörungskampagne gegen seinen Mandanten. »Politische Kräfte versuchen, auf diese Weise Jens N. zum Lügner und
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