Das Syndikat
leichthin, »um dir einen kleinen Eindruck zu vermitteln. Nils kann krankfeiern, wann und mit wem er will, stimmt’s, Teecee?«
»Jau!«
»Uns geht’s um die großen Dinge. Um so was wie den vertuschten Mord an Grévy. Wir fügen Puzzleteile zusammen.«
Auf einmal ärgerte sie dieser Umgang mit der Realität. Als wäre alles nur ein Videospiel. »Und dass durch euer Puzzeln Menschen sterben? Wie diese Frauen und Kinder in Darfur oder wie David?« Die Wut, da war sie wieder. Sie fixierte Nyström.
»David hat uns unterstützt«, sagte Nyström ruhig und hielt ihrem Blick stand. »Und das mit den Frauen und Kindern ist nicht wahr. Der Angriff fand genau zehn Minuten vor der Veröffentlichung des geheimen Dokuments statt. Wer behauptet so was?«
»Der Geheimdienst.«
»Der hat dich belogen. Was wollten sie von dir?« Seine Züge verhärteten sich, und Karen spürte, dass er ihr misstraute.
Sie zögerte.
»Warte ...«, er fing an zu grinsen, »du sollst mich verraten, ja?«
»Findest du das lustig?«
»Nein, nein! Es ist nur ... immer dasselbe. Sie wollen mich kriegen, aber sie wollen nicht einsehen, dass sie zu blöd dazu sind.« Er verschränkte die Arme hinter dem Kopf und wippte mit seinem Sessel. »Also«, fragte er amüsiert, »verrätst du mich?«
»Sie haben mir Fotos von deiner Frau gezeigt«, sagte sie unbeeindruckt, »sie glauben, dass du es getan hast.«
Sein Lächeln verschwand. »Ich wurde freigesprochen. Du glaubst das doch nicht, oder?« Er sah sie einen Moment nur an, dann fuhr er fort: »Es war der schlimmste Tag in meinem Leben, als ich sie in unserem Schlafzimmer fand.« Seine Stimme wurde leiser. »Sie hatten alles verwüstet, herausgerissen, durchwühlt, Schmuck, Geld, Computer, alles mitgenommen. Warum haben sie sie auch noch ...?« Er brach ab, lehnte sich vor zu den Monitoren, und eine Weile sagte niemand etwas, nur das Klacken der Tasten und die Lüftung drangen durch den Raum.
Warum hat David mir nie von Lanzelot erzählt?, fragte sie sich, oder von Nyström? Hat David ihm vertraut? »Und wer hat David umgebracht?«
»Wahrscheinlich dieselben, die Oberst Grévy erschossen haben.«
Er bewegte sich nicht, irgendwas war ihm unangenehm, spürte sie.
Plötzlich verstand sie, das Entsetzliche bekam einen Sinn. »Sie, wer immer das ist, haben angenommen, du wärst auch im Restaurant ... Sie wollten nicht nur David ... sie wollten hauptsächlich dich töten.«
Sie konnte ihre Wut kaum noch im Zaum halten. »Machst du es dir immer so einfach? Du tauchst also einfach ab, hier, in diese, diese heile blaue Welt?«
»Es ist keine heile Welt, Karen«, sagte er scharf. Er blickte sie wieder an, seine blauen Augen flackerten auf. »Es ist ein Keller in einem abgefuckten Viertel voll von Kokssüchtigen und Durchgeknallten. Und wir leben und arbeiten hier. Da hab ich mir erlaubt, meine Lieblingsfarbe auszusuchen. Blau. Meerblau. Okay?«
Sie starrte ihn an, starrte in diese eindringlichen Augen, in dieses entschlossene Gesicht mit den Sommersprossen und dem Dreitagebart, und plötzlich verschloss sich etwas in ihr.
»Ach ja«, fügte er hinzu, »und eine Espressomaschine hab ich mir auch geleistet. Sie war sogar richtig teuer. Machst du uns einen, Lee?«
Wieder hatte er dieses überlegene Lächeln aufgesetzt, das sie so wütend machte, aber sie sagte nur: »Ich will keinen Kaffee.«
Eine Weile sagte niemand etwas.
Karen erinnerte sich wieder an die letzten Minuten mit David, wie hinter der Scheibe die Schneeflocken leuchteten. Dann stoppte sie den Film und fragte: »Und, was machen wir jetzt?«
»Wir?« Nyström musterte sie. »Du willst also mitmachen?«
»Ich will wissen, wer David umgebracht hat«, sagte sie. »Und warum.«
»Das wollen wir auch«, sagte er. »Gut, dann zeig ich dir jetzt was.«
19
Nyström klickte auf die Tasten. Ein Bild tauchte auf. Schneebedeckte Gebirgslandschaft. Ein einzelner Baum. Daran lehnt ein Mann im blauen Skianzug, den Kopf zur Seite gelegt, als sei er eingenickt.
Nyström klickte weiter. Der Mann wurde größer, Karen erkannte Einzelheiten. Über die bleiche Wange des Mannes wand sich ein dunkelroter Faden. Blut. Offenbar rann es unter der schwarzen Skimütze hervor.
Klick. Nahaufnahme. Die Mütze war ein Stück hochgeschoben. Ein schwarzes Loch, kaum größer als ein Fingernagel, daneben noch eins. Nyström zoomte noch näher heran. Karen beugte sich vor. »Zwei Schüsse.«
Nyström nickte. »Das Foto, das David hatte.«
»Kein Selbstmord«,
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