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Das Syndikat

Das Syndikat

Titel: Das Syndikat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fran Ray
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sich immer einen Hund gewünscht. Für so was haben wir keine Zeit, hatte ihre Mutter daraufhin erwidert. Und später war sie selbst viel zu oft unterwegs gewesen.
    Sie schloss die Haustür auf, der Hund stand auf, schüttelte sich und trottete hinter ihr her, als hätte er nur auf sie gewartet.
    In der Wohnung stieg sie aus den Stiefeln und warf ihre Jacke über die Garderobe. Als sie aus dem Badezimmer zurückkam, saß er immer noch da und sah sie mit geduldiger Aufmerksamkeit an. Widerstandslos ließ er über sich ergehen, dass sie sein Fell abtrocknete, und beobachtete sie anschließend, wie sie Haferflocken in eine Schüssel füllte und mit Wasser einweichte.
    »Leider hab ich kein Hundefutter.« Sie stellte die Schüssel neben die Spülmaschine und sah zu, wie er sich heißhungrig darüber hermachte.
    Seltsam, Michael war noch gar nicht in die Küche gekommen. Er musste sie doch längst gehört haben.
    Sie fühlte sich ausgelaugt, sie fror, war müde, und sie hatte Hunger. Vielleicht schlief er noch? Im Schlafzimmer war er nicht, sein Bett war gemacht, die Schranktür stand offen, wie immer, nachdem er sich angezogen hatte, aber es fehlten seine Sachen, Hemden, Hosen ...
    Während sie durch die Wohnung eilte, versuchte sie sich zu erinnern, ob er ihr etwas von einer Reise gesagt hatte? Von einem Kongress? Vielleicht hab ich es vergessen? Sie vergaß viel in der letzten Zeit.
    In der Küche stand kein Geschirr. Noch nicht mal ein benutztes Glas oder seine Teetasse.
    Der Hund hatte sich in eine Ecke gekauert, sich klein, fast unsichtbar gemacht. So hab ich’s auch bei meiner Mutter immer gemacht. Sie hätte mir den Kopf abgerissen, wenn ich sie beim Schreiben oder Telefonieren gestört hätte. Aber ich bin nicht Jane. Ich bin Karen. Also, du musst dich nicht so klein machen.
    Der Hund legte den Kopf schief, als hätte er alles verstanden.
    Sie ging zurück in den Flur, wollte ihr Handy holen, Michael anrufen, da bemerkte sie ihn.
    Den Zettel.
    Auf der Kommode unter der Garderobe.
    Ich brauche Abstand, bevor ich anfange, dich zu hassen. Michael
    Ein Satz. Sie zählte die Wörter. Neun und sein Name. Neun Wörter, die alles sagten. Neun Wörter, die alles veränderten.
    Fünf Mal, zehn Mal ließ sie es bei ihm klingeln. Die Mobilbox schaltete sich nicht ein.
    Die Stille kam ihr vor wie eine Lücke, eine Unterbrechung auf der sonst so zuverlässig fortlaufenden Linie der Zeit.
    Sie schenkte sich ein Glas Brandy ein. Während der wenigen Minuten, die sie brauchte, um es zu leer zu trinken, wurde sie wütend. Warum ging er gerade jetzt? Jetzt, wo sie ihn brauchte? Wo sie in einer Krise steckte? Du machst es dir ganz schön einfach, Michael! Verdrückst dich! Hast du erlebt, was ich erlebt habe? Entführung, Anschläge, Tod? Meinst du, das könnte ich so einfach wegstecken, indem ich ab sofort brav zu Hause bleibe und alles vergesse? Was denkst du dir eigentlich?
    »Was denkst du dir eigentlich?«, schrie sie und goss sich nach.
    Beim zweiten Glas wurde sie sentimental. Wie kannst du mich nur hassen? Wir haben uns doch mal geliebt, oder nicht? ... Die Konferenz in Rom. Er übersetzte vom Maltesischen ins Italienische. Thema: Flüchtlingsproblematik in Südeuropa. Ihr erstes Treffen an der Hotelbar. Sie war gerade aus dem Sudan angekommen, kraftlos, mit den Nerven am Ende. Er war nett zu ihr, endlich mal jemand, der ihr zuhörte, ohne ständig von sich selbst und seinen Heldentaten zu reden. Seine Augen waren sanft, genau das, wonach sie sich gerade sehnte. Sie konnte sich fallen lassen, das merkte sie gleich, und als sie mit ihm in seinem Zimmer war, spürte sie endlich Frieden, als hätte sie gefunden, was ihr immer gefehlt hatte in ihrem Leben ... ach, Michael ...
    Beim dritten Glas tat sie sich wieder leid. Sie fing gerade an zu heulen, als ein Bellen sie aus ihrer düsteren Welt herausriss. Sie saß inzwischen auf dem Boden, ans Sofa gelehnt, ein Kissen in ihren Armen. Mein Gott Karen , wies eine Stimme sie zurecht, lass dich doch nicht so gehen .
    Sie sah auf. Der Hund stand in der Tür, bellte wieder, ein trockenes, eindringliches und ernstes Bellen, als wollte er sie zurückholen. Als er nicht zu ihr kam, stand sie mühsam auf, dabei stieß sie die halb leere Flasche um.
    »Und was soll ich jetzt tun?«, fragte sie den Hund. Er bellte wieder. Da fiel ihr ein, dass er wahrscheinlich raus musste. Frische Luft, die würde sie vielleicht retten.

26
    Den Haag
    »Sie sagen, er hätte sich in seinem eigenen Haus

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