Das System
Auto!«, rief Mark. »Hier können wir nichts machen. Wir müssen weiter!«
|266| Lisa wendete. Doch auch die nächste Kreuzung war von ineinander verkeilten Fahrzeugen blockiert. Offenbar hatten im ganzen
Viertel alle Ampeln gleichzeitig auf Grün geschaltet. Der Verkehr war vollkommen lahmgelegt.
Sie ließen den Wagen am Straßenrand stehen und gingen zu Fuß weiter, bis sie eine große Ausfallstraße erreichten, die nicht
verstopft war. Die Ampeln waren inzwischen alle auf gelbes Blinklicht umgeschaltet.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis es ihnen gelang, ein Taxi heranzuwinken. Der Fahrer schimpfte ununterbrochen über die inkompetente
Stadtverwaltung, die es nicht schaffte, ein funktionierendes Verkehrsleitsystem zu installieren. Weisenberg saß stumm auf
dem Beifahrersitz. Er hatte die letzte Viertelstunde kein Wort mehr gesprochen. Offenbar hatte ihn der Unfall davon überzeugt,
dass Pandora es tatsächlich auf sie abgesehen hatte. Dass es sich bei dem Ampelfehler um einen Zufall handeln könnte, mochte
wohl auch er nicht mehr glauben.
Nach weiteren zehn Minuten erreichten sie Weisenbergs Einfamilienhaus. Sie stiegen aus und baten den Taxifahrer, ein paar
Minuten zu warten. Das Haus war nicht sehr groß und wirkte von außen eher bescheiden, aber als Weisenberg die Tür aufschloss,
sah Mark, dass die großen Wohnzimmerfenster einen wunderschönen Blick auf die Süderelbe freigaben, die träge an einem kleinen
Garten vorbeizog.
»Kommen Sie«, sagte der Professor und stieg die Treppe hinauf. »Das Arbeitszimmer meiner Frau ist im ersten Stock.«
Er öffnete eine Tür. »Ich habe alles so gelassen, wie …« Er erstarrte. »Wer … wer sind Sie? Was machen Sie hier?«
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|267| 66.
Hamburg-Harburg,
Mittwoch 18:03 Uhr
Jemand riss die Tür weit auf. Mark erkannte den stämmigen Kerl, den er aus Lisas Wohnung vertrieben hatte. Er hielt eine Pistole
auf sie gerichtet.
»Kommen Sie doch rein«, sagte er. »Sie haben sicher nichts dagegen, dass ich mir mal die Post Ihrer dahingeschiedenen Frau
angesehen habe? Es war etwas sehr Interessantes darunter! Aber jetzt nehmen wir erst mal alle hübsch die Pfoten hoch. Auch
du, liebe Lucy! So ist’s brav.«
»Diego! Das darf doch nicht …«
»Schnauze halten und hinsetzen!« Er fuchtelte mit der Pistole herum und bedeutete ihnen, durch die Tür zu kommen.
Das Zimmer war nicht sehr groß, aber hell. An einer Wand stand ein schwarzes Ledersofa. Vor einem Erker mit bodentiefen Fenstern
stand der Schreibtisch Eva Weisenbergs. Ihr Laptop war eingeschaltet. Ein großer Haufen Briefumschläge und Versandtaschen
lag unordentlich daneben, als sei er gerade durchwühlt worden.
Diego zwang die drei, sich auf das Sofa zu setzen. Er grinste breit, aber seine Augen funkelten böse. »Ich weiß, warum ihr
hier seid. Meine neue Freundin hat es mir gezeigt. Sie hat euch beobachtet, die ganze Zeit. Sie kennt euch verdammt gut. Und
jetzt will sie, dass ich euch töte.« Er kratzte sich hinter dem Ohr, als müsse er darüber nachdenken. Dann nickte er. »Ich
denke, genau das werde ich auch tun. Aber vorher möchte ich euch noch ein bisschen um Gnade winseln hören. Also, fangt an.«
Er sah demonstrativ auf die Uhr. »Ihr habt fünf Minuten, mich zu überzeugen, euch nicht zu töten. Die Zeit läuft.«
»Du bist wahnsinnig!«, sagte Lisa. »Pandora wird dich vernichten, so wie sie jeden vernichtet, der ihr Geheimnis kennt. Glaub
bloß nicht, dass sie dich verschonen wird, bloß weil du ihr geholfen hast.«
|268| Diego nickte. »Ich bin ja nicht blöd«, sagte er. »Natürlich weiß ich, dass sie mich entsorgen wird, wenn sie mich nicht mehr
braucht. Aber ich werde vorbauen. Ich denke, deine Idee mit dem Virus ist nicht schlecht, Lucy. Ist es aber nicht viel besser,
ihn nicht einzusetzen, sondern nur als Druckmittel zu benutzen? So wie die Atombombe. Die Drohung damit reicht völlig aus.«
Seine Augen glänzten gefährlich. »Pandora ist eine so mächtige Freundin. Habt ihr heute Morgen Radio gehört? Das mit dem Börsencrash
an der Wall Street, das war ich! Nicht schlecht, oder? Und das ist erst der Anfang. Ich meine, wir kennen uns ja noch kaum,
Pandora und ich. Aber wir sind schon jetzt ein verdammt scharfes Pärchen!« Er sah wieder auf die Uhr. »Anderthalb Minuten
sind um. Hat noch jemand ein besseres Argument?«
»Sie glauben doch nicht ernsthaft, dass Sie Pandora kontrollieren könnten«, sagte Weisenberg. »Sie ist
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