Das System
Hand auf den Schreibtisch.
Mark legte eine Hand auf ihre Schulter. »Wart’s ab«, sagte er. »Vielleicht haben wir es doch richtig gemacht.«
Nach einer Weile erschien der normale Windows Desktop. In der Mitte prangte ein neuer Ordner. Mit einem Doppelklick öffnete
Lisa ihn. Der Ordner enthielt nur zwei Dateien: PANDORA. TXT und FUEREVA. TXT. Lisa öffnete die erste. Kryptischer C++-Programmcode
füllte den Bildschirm. Sie scrollte rasch durch viele tausend Textzeilen.
»Das ist er«, sagte sie.
Mark konnte die Erleichterung in ihrer Stimme hören. »Wir haben den Source Code gefunden!«
»Würden Sie bitte die andere Datei öffnen?«, sagte Weisenberg.
Lisa nickte. Der Text eines Briefes erschien:
»Liebste Eva,
nun weißt du also, wie ich für Dich empfinde. Wahrscheinlich ist es jetzt zu spät. Aber aus uns wäre wohl ohnehin nie ein
Traumpaar geworden.
Ich habe Dir schon von Pandora geschrieben. Ich bin mir nicht sicher, ob Du mir geglaubt oder meine Briefe als Phantastereien
abgetan hast, obwohl Du mir immer sagtest, dass ich nicht krank sei. Aber ich war ja selbst sehr überrascht, als |277| ich Pandora entdeckte, und konnte es zuerst auch nicht glauben.
Jetzt, wo ich wohl nicht mehr da bin, um mich um mein Geschöpf zu kümmern, vertraue ich Dir mein Geheimnis an: Die beigefügte
Datei PANDORA. TXT enthält den Quellcode des ursprünglichen Programms. Wenn Du mich kennst, dann weißt Du, wie Du ihn lesen
musst.
Pandora hat sich inzwischen sehr verändert, aber mit Hilfe des Quellcodes kann jemand wie Dein Mann vermutlich nachvollziehen,
wie sie entstand. Entscheide Du, ob Du ihm oder jemand anderem den Code zeigen willst. Es wäre wahrscheinlich das Ende von
Pandora. Sie ist eine Fremde in unserer Welt, und die Menschen sind noch nie besonders nett zu Fremden gewesen. Ich weiß das
besser als die meisten. Glaub mir, entgegen allen Beteuerungen, die sie Dir gegenüber vielleicht machen, werden sie Pandora
vernichten. Sie werden Angst vor ihr haben, denn sie werden sie nicht verstehen.
Ich bitte Dich, im Namen unserer Freundschaft: Lerne Pandora kennen, bevor Du Deine Entscheidung triffst. Und denk daran:
Sie ist so etwas wie ein Kind. Sie möchte lernen. Lehre sie Deine Weisheit und Deine Liebe zu den Menschen. Dann, daran glaube
ich fest, wird sie für Euch ein Geschenk der Götter sein und der Menschheit neue Hoffnung geben.
In Liebe
Rainer«
Ein Stöhnen ertönte vom Sofa, gerade als Mark den Brief zu Ende gelesen hatte. Diego war aufgewacht. Er wand sich und versuchte,
seine Fesseln zu lösen, doch Mark, der Hobby-Segler war, konnte vernünftige Knoten machen. Alles, was der stämmige Mann erreichte,
war, dass er vom Sofa auf den Zimmerboden rutschte. Dort blieb er liegen und starrte die drei mit hasserfüllten Augen an.
|278| Mark sah auf die Uhr. Es musste etwa zehn Minuten her sein, dass der Taxifahrer die Polizei informiert hatte. Er tastete nach
Diegos Pistole, die er sicherheitshalber eingesteckt hatte. Er würde nicht zögern, sie zu benutzen, wenn es sein musste.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte Weisenberg.
»Ich werde versuchen, einen Virus zu schreiben, der Pandora direkt attackiert«, sagte Lisa.
Der Professor blickte nachdenklich auf den Laptop. »Rainer Erling hat genau das vorausgesagt«, sagte er. »Ich frage mich,
ob wir nicht eine große Chance vertun, wenn wir nicht versuchen, Pandora zu erforschen.«
»Rainer Erling ist tot«, sagte Mark. »Und wir wären es auch, wenn Pandora ihren Willen bekommen hätte. Sie ist gefährlich,
und sie wird mit jeder Stunde, die sie mehr über uns lernt, gefährlicher. Irgendwann wird es unmöglich sein, sie zu vernichten
– wenn es nicht jetzt schon zu spät ist. Wir müssen es zumindest versuchen.«
»Eigentlich ist das keine Entscheidung, die wir allein treffen können«, sagte Weisenberg. »Das hier ist zu groß für uns, zu
wichtig. Pandora könnte für die Zukunft der Menschheit von entscheidender Bedeutung sein.«
»Was wollen Sie tun? Die Vereinten Nationen informieren? Die Politiker entscheiden lassen? Das würde nur zu endloser Streiterei
führen, und falls überhaupt jemals eine Entscheidung getroffen würde, dann wäre es längst zu spät, um noch etwas gegen Pandora
zu unternehmen. Herr Professor, Sie haben wahrscheinlich recht – die Zukunft der Menschheit liegt in unserer Hand. Wenn wir
Pandora jetzt nicht vernichten, setzen wir möglicherweise genau diese
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