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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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auf das Bild der Verwüstung. Hier mussten Tausende Menschen ums Leben gekommen sein. Irgendwo unter ihnen
     musste der leblose Körper ihrer besten Freundin liegen. Tränen liefen durch den Staub auf ihren Wangen. Immer noch hörte sie
     nur Rauschen.
    Isao legte seinen Arm um sie und zog sie fort von dem Ort des Grauens. Langsam gingen sie die zerstörte Straße entlang, wahrscheinlich
     die einzigen Überlebenden im Umkreis von Hunderten von Metern. Über ihnen spannte sich der schwarze Himmel, in dem Millionen
     Sterne auf sie herabstarrten – kalt und mitleidlos, wie sie es immer getan hatten, lange bevor es Flugzeuge gegeben hatte.

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    93.
    Hamburg-Eppendorf,
    Sonntag 11:10 Uhr
    Weißes Licht bohrte sich wie Dolche in seine Augen. Er kniff die Lider zusammen. Etwas wühlte sich von links in seinen Körper
     und versuchte, mit scharfen Klauen und Zähnen seine Leber herauszureißen.
    »Mark?« Lisas Stimme drang an sein Ohr, zart wie ein Kuss. Er blinzelte, bemühte sich, dem Ansturm der Helligkeit standzuhalten.
     Ein Blick auf ihr Gesicht war es wert.
    »Mark!« Sie grinste breit. »Gott sei Dank!«
    |376| Er bemühte sich zu lächeln. Er wollte etwas sagen, aber irgendwer hatte das Innere seines Halses mit Schmirgelpapier bearbeitet
     und dann mit einem zähflüssigen Klebstoff gefüllt.
    Er bewegte die Finger seiner linken Hand. Sie legte ihre Hand auf seine. Die Berührung war kühl und sanft und beruhigend.
     Wohlige Dunkelheit umhüllte seine Schmerzen.
     
    Er zuckte zusammen. Er wusste nicht, wie lange er geschlafen hatte. Diesmal fiel es ihm leichter, die Augen zu öffnen, und
     er würgte in krächzenden Worten die Sorge heraus, die ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. »Pandora! Was ist passiert?«
    Lisa saß immer noch bei ihm. Sie lächelte. »Mach dir keine Sorgen. Du hast eine Menge Blut verloren, aber die Ärzte sagen,
     du bist ein robuster Typ und wirst schon durchkommen.« Stolz glänzte in ihren Augen. »Wir haben es geschafft! Der Virus hat
     funktioniert. Und wie! Überall auf der Welt ist das Chaos ausgebrochen. Der ganze Planet hat unter Pandoras Todeskampf gebebt.
     Aber jetzt ist es vorbei. Die Computer scheinen wieder normal zu funktionieren.«
    »Diego …«
    »Er ist tot. John Grimes wurde verhaftet. Kommissar Unger sagt, er kommt wegen Nötigung und versuchtem Mord hinter Gitter.
     Unger wurde von Diego angeschossen, aber es ist wohl nicht so schlimm.«
    Doch etwas beunruhigte Mark. Wie eine lästige Mücke schwirrte ein Gedanke in seinem Kopf herum, leise surrend, aber immer
     außer Reichweite. Sein Kopf war schwer.
    »Entspann dich«, sagte Lisa und strich zärtlich über seine Stirn. »Du brauchst Schlaf.« Sie hatte recht.
     
    Es war einer jener klaren Träume, in denen man weiß, dass man träumt. Man betrachtet die Szenen wie ein Zuschauer im Kino
     und ist gleichzeitig der Akteur in der Hauptrolle. Er |377| war wieder Kind. Er sah sein Jugendzimmer vor sich, das Superman-Poster über dem Regal, in dem er seine Plastikmodelle aufgebaut
     hatte. Er lag wieder dort und fühlte sich seltsam, wie ein aufgeblasener Luftballon. Es war eine Sommergrippe gewesen, nichts
     Ernstes. Er wusste noch, wie er sich gefreut hatte, nicht in die Schule zu müssen, und es hatte nicht mal wehgetan. Nun war
     da wieder dieses seltsame Gefühl, der Schwindel. Er fror und schwitzte abwechselnd, und kindliche Angst vor dem Unbekannten
     erfüllte ihn. Fühlte es sich so an, wenn man starb?
    Er fuhr hoch und setzte sich auf. Bohrender Schmerz brannte in seiner Seite. Er ignorierte ihn. Draußen war es dunkel. Lisa
     saß neben dem Bett und las in einem Buch. Sie erschrak, als sie seine Bewegung sah. »Mark! Was machst du, um Himmels willen!
     Leg dich wieder hin!«
    »Fieber!«, krächzte er.
    »Was?« Lisa stand auf und legte ihre Hand auf seine Stirn. »Deine Haut ist kühl. Du hast kein Fieber.«
    Er schluckte. »Als Junge hatte ich mal eine Grippe mit hohem Fieber. Über 40 Grad. Ich dachte, ich müsste sterben.« Er nahm
     einen Schluck Wasser aus einem Glas auf dem Nachtschrank. Das Reden fiel ihm immer noch schwer, aber der Gedanke war zu wichtig,
     um ihn nicht auszusprechen. »Meine Mutter kam zu mir und beruhigte mich. Sie hat mir erklärt, dass Fieber nur eine Reaktion
     des Körpers ist, mit der er feindliche Eindringlinge bekämpft. Eine Reinigung durch das Immunsystem. Man fühlt sich elend,
     aber dann ist es vorbei, und man ist wieder gesund. Davon habe ich gerade

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