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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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den USA
     angerufen hatte. Er hatte seine Stellung bei Ultrasearch ausgenutzt und war zum Vertriebsleiter durchgestellt worden. Dem
     hatte er ordentlich die Meinung gegeigt und damit gedroht, Eternia bei Ultrasearch auf die Liste der gesperrten Links zu setzen,
     so dass kein Internet-User mehr die Website finden würde. Natürlich war das eine leere Drohung. Immerhin war Eternia einer
     der größten Werbekunden von Ultrasearch, und Norman hatte bei weitem nicht genug Einfluss, um eine solche Entscheidung herbeizuführen.
     Aber er hatte genug Eindruck hinterlassen, und der Manager hatte versprochen, sich um die Sache zu kümmern.
    Nur vier Stunden später hatte er einen Anruf aus Japan erhalten. Ein schlecht Englisch sprechender Japaner hatte sich tausendmal
     entschuldigt und erklärt, dass es sich um einen technischen Fehler gehandelt habe, der dank seiner Hilfe inzwischen behoben
     sei. Es hatte ein bisschen so geklungen, als wüssten die Entwickler nicht genau, warum der Kobold ausgeflippt war, hätten
     aber einen Workaround – eine Art Flickwerk – gebaut, um das Problem zu lösen. Man hatte Tarkus neu zum Leben erweckt, ihm
     eine Million zusätzliche Erfahrungspunkte spendiert und ihm eine Seelenaxt geschenkt – eine der mächtigsten Waffen in Eternia.
     Außerdem hatte man Norman als Ehrengast zur Eternia Powergamer Convention eingeladen, die morgen startete, und ihm angeboten,
     ihn durch die Entwicklungsstudios zu führen. Man hatte ihm sogar den Flug spendiert, wenn auch nur Economy.
    Norman blickte aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. Unter sich sah er den schwarzen Pazifik und die gezackte Küstenlinie
     der japanischen Hauptinsel Honshu, die sich wie eine leuchtende Perlenschnur nach Norden zog. Er freute sich so sehr auf das
     Spielertreffen, dass sein Herz vor Aufregung heftig klopfte.
    »Sind Sie angeschnallt?«
    |369| Er wandte sich zu der Stewardess um, die ihn das gefragt hatte. Er griff die beiden Enden des Gurts, atmete tief aus und steckte
     sie ineinander. Der Gurt spannte sich straff über seinen Körper, obwohl er ihn auf die äußerste Weite eingestellt hatte.
    Die Stewardess nickte zufrieden, und Norman wandte sich wieder ab und sah aus dem Fenster. Die Lichter der Küste waren verschwunden.
     Er hielt eine Hand neben sein Gesicht, um das Kabinenlicht abzuschirmen, aber er sah nur die Schwärze der Nacht und ein paar
     Sterne. Die Maschine musste eine Kurve geflogen sein, so dass auf ihrer rechten Seite nur noch der Pazifik lag und sie einen
     nördlichen Kurs parallel zur Küste flog. Aber er hatte nichts von einer Drehung gespürt. Seltsam.
    Das Kabinenlicht flackerte, erlosch. Dann schaltete sich eine trübe Notbeleuchtung ein. Im Boden erschienen grüne Leuchtstreifen,
     die im Notfall den Weg zu den Ausgängen wiesen. Wahrscheinlich hatte der Pilot nur den falschen Schalter …
    Knirschende und jaulende Geräusche erklangen. Ein Ruck ging durch die Maschine, als würde sie von etwas Schwerem getroffen.
     Norman zuckte zusammen. Dann fiel ihm ein, dass es wahrscheinlich nur das Fahrwerk gewesen war, das ausgefahren worden war.
     Er atmete aus.
    Das Flugzeug machte einen Satz und sackte nach unten. Normans Magen drehte sich um. Einen Moment lang spürte er sein Körpergewicht
     nicht – ein schönes und entsetzliches Gefühl zugleich. Sie mussten auf ein ziemlich großes Luftloch gestoßen sein. Einige
     Passagiere schrien auf. Eine Stewardess klammerte sich an eine Sitzlehne, um nicht umzufallen. Ihr Gesicht war weiß.
    Die Maschine fing sich, nur um sich auf die Seite zu legen und eine scharfe Linkskurve zu fliegen. Die Triebwerke heulten
     auf, und Norman wurde mit dem Doppelten seines Gewichts in den Sitz gepresst. Er spürte, wie das Blut aus seinem |370| Kopf gedrückt wurde. Bunte Lichter tanzten vor seinen Augen. Dann ließ der Druck nach, und die 747 stabilisierte sich. Norman
     nahm sich vor, dem Flugpersonal mal ordentlich die Meinung zu sagen. Auch wenn er nur Economy flog, konnten sie doch nicht
     …
    Sein Blick fiel aus dem Fenster, und er erstarrte. Er sah Straßen, in denen sich Ketten aus roten und weißen Lichtpunkten
     entlangschoben. Dazwischen sah er schwarze Türme aufragen wie Basaltfelsen aus einem Magmastrom – unbeleuchtete Hochhäuser.
    Das Schlimme an diesem Anblick war nicht, dass die Hochhäuser bis auf den schwachen, bläulichen Schimmer der Notbeleuchtungen
     dunkel waren. Das Schlimme war die Perspektive, aus der er sie sah: Sie waren

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