Das System
Stammkneipe getroffen und natürlich ein paar
Runden springen lassen müssen, um die Gemüter wieder zu beruhigen. Um kurz nach sieben hatte das Handy geklingelt, und Unger
hatte sich mit Kopfschmerzen und einem fiesen Geschmack im Mund aus dem Bett gequält.
In diesem Moment wünschte er sich nichts mehr, als dass |89| sie diesen Mistkerl Helius endlich hinter Gitter brachten und er ein paar Tage Ruhe hatte. Er konnte nicht weit weg sein.
Irgendwer hatte vor etwa anderthalb Stunden die Polizei informiert, dass Helius am Harburger Bahnhof gesehen worden war. Die
Harburger Kollegen hatten einen elektronischen Einsatzbefehl erhalten und waren daraufhin ausgerückt. Der Schaffner des Metronom
hatte telefonisch bestätigt, dass ein junger Mann, auf den die Beschreibung des Verdächtigen passte, mit einem Ticket nach
Köln im Zug gesessen hatte und in Buchholz ausgestiegen war. Wer die Polizei alarmiert hatte und von wem der Einsatzbefehl
gekommen war, ließ sich nicht mehr nachvollziehen, denn durch eine Computerpanne waren die entsprechenden Daten gelöscht worden.
Dreek wandte sich an den Einsatzleiter der Bereitschaftspolizei. »Die Hundestaffel müsste in einer halben Stunde hier sein.
Sind alle Zufahrtsstraßen abgesperrt?« Er führte sich auf, als sei er der Chef hier, aber Unger ließ ihn machen. Es war vielleicht
ganz gut für ihn, ein bisschen Verantwortung zu übernehmen.
»Im Umkreis von 15 Kilometern ist alles abgeriegelt«, sagte der Einsatzleiter, ein erfahrener Polizist mit ergrauten Schläfen.
»Hier kommt keine Maus ungesehen raus.«
»Wir dürfen ihn nicht unterschätzen«, sagte Unger. »Er ist uns schon zweimal durch die Maschen geschlüpft. Und wenn er sich
hier irgendwo versteckt, kann es Tage dauern, bis wir ihn finden.«
»Soll ich die Presse informieren?«, fragte Dreek. »Wenn wir über das Radio die Bevölkerung um Mithilfe bitten …«
»Bloß nicht! Das fehlt mir gerade noch, dass hier eine Horde Pressefuzzis Jagd auf einen vermeintlichen Mörder macht. Wir
müssen ihn schon selbst kriegen.«
Der Einsatzleiter zog eine Augenbraue hoch, als er das Wort »vermeintlich« hörte, sagte aber nichts.
Ungers Handy piepte. Schon wieder eine SMS. Er erhielt sonst nur selten Textnachrichten. Mit einem seltsamen |90| Gefühl der Vorahnung öffnete er die Nachricht. »53.18.03N 09.57.55O«. Er runzelte die Stirn. War das eine Art Code? Der Absender
schien derselbe zu sein wie gestern Abend bei der SMS mit dem Hinweis auf Helius’ Aufenthaltsort.
»Was ist denn, Chef?«, fragte Dreek. »Darf ich mal sehen?«
Unger hätte ihm den Inhalt der Botschaft am liebsten vorenthalten. Es gefiel ihm überhaupt nicht, dass irgendjemand Katz und
Maus mit ihnen spielte. Aber er wollte nicht schon wieder den Fehler machen, Helius durch zu zögerliches Handeln entwischen
zu lassen. Letztlich war es die Sache des Richters, Schuld oder Unschuld zu beurteilen, nicht seine. Er hatte nur dafür zu
sorgen, dass alle verfügbaren Informationen ans Tageslicht kamen und der Hauptverdächtige vor Gericht gestellt wurde.
Dreek beugte sich über das Handy. »Das sind Koordinaten«, sagte er. »Hat jemand ein GPS-Gerät?«
Der Einsatzleiter holte ein Gerät von der Größe und Form eines Mobiltelefons aus seiner Jackentasche. Es hatte ein gelbes
Plastikgehäuse und ein großes LCD-Display, aber keine Zifferntastatur. Er schaltete es ein und hielt es Unger und Dreek hin.
Der Bildschirm zeigte einen Plan der unmittelbaren Umgebung, darunter zwei Ziffernfolgen: 53.19.26N 09.52.11O. »Das hier ist
unsere exakte Position: 53 Grad, 19 Minuten, 26 Sekunden nördlicher Breite, 9 Grad, 52 Minuten, 11 Sekunden östlicher Länge.«
»Die Zahlen in der SMS sind fast dieselben«, sagte Dreek. »Können Sie feststellen, wo genau sich der Punkt befindet, der dort
angegeben ist?«
»Fünf Minuten östlich von hier, das sind etwas mehr als fünf Kilometer«, sagte der Einsatzleiter.
»Also, dann gehen wir der Sache mal auf den Grund!«, sagte Dreek zufrieden. »Trommeln Sie Ihre Männer zusammen. Ich denke,
wir wissen jetzt, wo der Kerl sich versteckt hält.«
Unger schüttelte langsam den Kopf. »Herr Dreek?«
|91| Der Angesprochene wandte sich um. »Chef?«
»Haben Sie sich mal gefragt, warum uns ein Unbekannter hilft, Helius zu finden? Und woher er so genau weiß, wo der Mann sich
gerade befindet?«
»Nein … das heißt ja, schon. Aber das können wir doch immer noch klären, wenn
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