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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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kleiner Haufen Heu in einer Ecke verströmte einen angenehmen, süßlichen Duft. Mark lugte durch den Türspalt. Ein Einfamilienhaus
     aus Rotklinker, ein langgezogener, flacher Stall und ein Silo dahinter gruppierten sich um einen Hof, der mit grobem Kies
     bedeckt war. Im Vorgarten des Hauses stand ein Wäscheständer, auf dem einige Hemden, Unterwäsche und Handtücher im Wind flatterten.
     An der Seite des Stalls lehnte ein Fahrrad, offenbar nicht abgeschlossen. Das war seine Chance!
    Der Hubschrauber flog dicht über das Gehöft. Eine Frau in mittlerem Alter trat aus der Tür des Hauses, beschirmte die Augen
     mit einer Hand und sah in den Himmel. Sie blickte dem Helikopter nach, der in Richtung des Waldstücks abdrehte. Dann verschwand
     sie wieder im Haus.
    Jetzt oder nie.
    Mark rannte los, schnappte sich ein Handtuch und ein kariertes Hemd von der Leine und stieg auf das Fahrrad. Ein Hund bellte.
     Die Frau kam aus dem Haus. »He, Sie, was soll das!«, rief sie und rannte hinter Mark her, der, so schnell er konnte, in die
     Pedale trat. Der Hund, ein hellbrauner, halbhoher Mischling, verfolgte ihn kläffend.
    Mark strampelte einen Kiesweg entlang und dann auf die schmale Landstraße. Hier gelang es ihm endlich, die schimpfende Frau
     und den Hund abzuschütteln. Als er ein paar hundert Meter zurückgelegt hatte, hielt er an, knüllte seine Jacke in den Gepäckkorb,
     zog sich das karierte Hemd über und legte das Handtuch wie ein Kopftuch um. Dann radelte er langsam weiter, eine Bäuerin auf
     dem Weg in den nächsten Ort.
    Es dauerte nicht lange, und der Hubschrauber zog wieder über ihn hinweg. Wenn er Glück hatte, würden sie auf seine |97| Verkleidung hereinfallen, aber lange konnte es nicht dauern, bis die Polizei erfuhr, dass er ein Fahrrad und ein kariertes
     Hemd gestohlen hatte.
    Als der Helikopter außer Sichtweite war, beschleunigte er seine Fahrt. Er wollte so viel Strecke wie möglich zurücklegen,
     bevor er das Fahrrad versteckte und sich irgendwo seitwärts in die Büsche schlug. Er hörte ein Auto, das sich von hinten näherte.
     Er wagte nicht, sich danach umzudrehen. Sein erster Impuls war, die Geschwindigkeit zu erhöhen, doch stattdessen fuhr er langsamer.
     Wenn die vermeintliche Bäuerin es zu eilig hatte, würde seine Tarnung auffliegen. Der Wagen fuhr an ihm vorbei. Mark drehte
     den Kopf leicht nach rechts, so dass sein Gesicht nicht so gut zu erkennen war. Der Fahrer schien sich nicht für ihn zu interessieren
     und fuhr einfach weiter. Ein blauer Mercedes kam ihm entgegen, und auch dessen Fahrerin beachtete ihn kaum.
    Wieder näherte sich ein Auto von hinten, überholte. Es war ein Polizeiwagen. Mark machte vor Schreck einen Schlenker, der
     ihn beinahe in den Straßengraben beförderte. Der Wagen fuhr weiter. Dann, nach etwa hundert Metern, leuchteten seine Bremslichter
     auf. Hatten die Polizisten ihn erkannt? Oder wollten sie die Frau auf dem Fahrrad nur danach fragen, ob sie jemanden gesehen
     hatte?
    Ein Dutzend Meter vor Mark zweigte ein Feldweg rechts ab. Er streckte die Hand nach rechts aus, trat kräftig in die Pedale
     und bog ab. Mit klopfendem Herzen folgte er dem Weg, der zwischen Weiden hindurchführte.
    Nach etwa hundert Metern endete der Weg. Am Ende stand ein Anhänger mit einem zylindrischen, silbergrauen Wassertank – offenbar
     eine Kuhtränke. Ein Stück entfernt erhob sich eine kleine Baumgruppe, die ihm zumindest etwas Sichtschutz bieten konnte. Doch
     dazu musste er die umzäunte Weide überqueren, und mit dem Fahrrad war das nicht nur schwierig, sondern würde auch sehr seltsam
     aussehen.
    |98| Er stieg ab. Aus den Augenwinkeln sah er, dass der Einsatzwagen rückwärts bis zur Abzweigung gefahren war. Er bemühte sich,
     nicht hinzusehen, und ging zu der Tränke. Einige Kühe, die in der Nähe grasten, hoben die Köpfe und glotzten ihn an. Dann
     setzten sie sich in Bewegung und kamen auf ihn zu.
    Im Gras lag ein orangefarbener Kasten, von dem ein Draht zu dem dünnen Elektrozaun führte. Ein regelmäßiges, leises Ticken
     ging von ihm aus. Offensichtlich ein akkubetriebener Stromgeber. Mark beugte sich hinab und tat, als mache er sich an dem
     Kasten zu schaffen. Aus den Augenwinkeln beobachtete er, wie der Polizeiwagen sich wieder in Bewegung setzte.
    Mark atmete aus. Die Kühe glotzten ihn erwartungsvoll an. Brave Tiere! Ihre Zutraulichkeit hatte ihm geholfen, seine Rolle
     als Bäuerin überzeugend zu spielen. Er versteckte das Fahrrad hinter der

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