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Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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mit gerunzelter Stirn. Andere blickten sich ratlos um, starrten verwundert ihre Telefone an oder diskutierten mit den Umstehenden.
    Es musste irgendeine Fehlfunktion im Mobilfunknetz von NTT Docomo gegeben haben, die alle Handys gleichzeitig zum Klingeln
     gebracht hatte. Das Gemurmel, das sie gehört hatte, waren die Stimmen von Tausenden, vielleicht von Millionen Menschen gewesen.
     Sie stellte sich vor, dass in diesem Moment vielleicht nicht nur hier in Tokio, sondern überall auf der Welt die Handys gleichzeitig
     geklingelt hatten und alle Menschen für einen kurzen Moment in einer gigantischen Telefonkonferenz miteinander verbunden gewesen
     waren. Es war ein romantischer Gedanke.
    Sie schmunzelte, klappte ihr Mobiltelefon zu und folgte |94| dem Strom der Menschen, der sich allmählich wieder in Bewegung setzte, in Richtung des Zentralbahnhofs von Shinjuku.

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    23.
    Nordheide,
    Freitag 8:30 Uhr
    Mark sah die Polizeiwagen schon von weitem: Eine Kolonne aus vier Kleinbussen und zwei Streifenwagen. Sie hatten das Blaulicht
     eingeschaltet, obwohl auf der leeren Straße niemand ihren Weg blockierte. Aus dem Schutz eines großen Busches beobachtete
     er, wie sie am Straßenrand hielten und Männer ausstiegen, ganz in der Nähe des Weges, der in den kleinen Wald führte. Er erkannte
     Kommissar Unger und Dreek, die mit einem Beamten in grüner Felduniform diskutierten. Der Mann zeigte genau auf Mark.
    Er zuckte zusammen. Dann wurde ihm klar, dass die Polizisten ihn unmöglich gesehen haben konnten – sie waren noch mindestens
     drei-, vierhundert Meter entfernt. Der Beamte hatte einfach auf den Wald gezeigt.
    Aus den Mannschaftswagen waren inzwischen gut zwei Dutzend Einsatzkräfte ausgestiegen. Der Mann neben Kommissar Unger gestikulierte
     und bedeutete ihnen, auszuschwärmen und das Waldstück zu durchkämmen.
    Mark blieb keine Zeit, darüber nachzudenken, wie sie ihn so schnell gefunden hatten. Er schlich tiefer in den Wald und rannte
     los.
    Das Gehölz war größer, als es von der Straße aus wirkte. Er lief unter hohen Eichen und Buchen entlang, zwischen vereinzelten
     Büschen und jungen Bäumen hindurch, die nur wenig Sichtschutz boten. Er konnte nur hoffen, dass seine Spuren in dem alten
     Laub nicht zu sehen waren.
    Er erreichte eine Schonung aus jungen Fichten. Die biegsamen |95| Äste leisteten Widerstand, als wollten sie Mark seinen Verfolgern ausliefern, doch dann schlossen sie sich hinter ihm wie
     eine undurchdringliche grüne Wand.
    Die Gruppe der Polizisten konnte er vielleicht auf diese Weise abhängen. Eine Hundestaffel nicht.
    Er rannte weiter, erreichte das Ende der Schonung. Dahinter setzte sich lichter Laubwald fort. Der Boden war hier weich und
     morastig, der Bewuchs deutlich niedriger, überwiegend Birken. Einzelne dunkle Tümpel glitzerten zwischen den Bäumen. Er zögerte
     einen Moment. Wenn er da durchlief, waren seine in London maßgefertigten Schuhe ruiniert. Aber ihm blieb keine Wahl. Er durchquerte
     das Feuchtgebiet, sorgsam darauf bedacht, in dem weichen Boden so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen.
    Auf der anderen Seite endete der Wald. Vor ihm lagen Felder und Weiden, so weit das Auge reichte. Ein Traktor mit einem Anhänger,
     auf dem sich ein großer Tank befand, düngte einen der Äcker. Beißender Güllegestank lag in der Luft.
    Nicht weit entfernt war ein kleiner Bauernhof. Vielleicht gab es dort eine Versteckmöglichkeit. Im Wald konnte er nicht bleiben,
     und auf den Wiesen und Feldern sah man ihn kilometerweit. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Risiko einzugehen.
    Er folgte einem niedrigen Erdwall zwischen zwei Koppeln, der mit dornigen Büschen bewachsen war und als Windbrecher diente.
     Hier konnte ihn der Bauer auf seinem Traktor nicht sehen.
    Nach einiger Zeit hörte er das Knattern eines Hubschraubers über sich. Er drückte sich in den Sichtschatten eines niedrigen
     Busches. Der Helikopter zog eine Schleife über dem Wald und drehte dann in Richtung Süden ab. Er würde sicher bald zurückkehren.
    Mark setzte alles auf eine Karte und rannte los. Er erreichte eine Scheune, von der die grüne Farbe in dicken Placken abblätterte,
     als sich das Geräusch des Hubschraubers |96| erneut näherte. Er versuchte, die Tür der Scheune zu öffnen. Sie war zum Glück nicht verschlossen. Erleichtert schob er sich
     ins dunkle Innere. Nur durch zwei kleine, verdreckte Fenster unter dem Giebel fiel etwas Licht. Das Gebäude war fast leer,
     nur ein

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