Das System
freundlich zu Kumiko gewesen und hatte ihr viel beigebracht. Vor allem blieb
sie stets gelassen, selbst wenn es einmal hektisch zuging. Heute aber hatte sie Tränen in den Augen.
Kumiko wählte die Nummer der EDV-Abteilung, um sich zu erkundigen, wann sie wieder Zugriff auf ihr Systemterminal haben würde.
Sie konnte nicht einmal die Kontostände der Anrufer überprüfen. In der ganzen Bank schien niemand mehr Zugriff auf die zentralen
Kontodaten zu haben.
Natürlich war die Nummer besetzt. Kaum dass sie auflegte, klingelte der Apparat erneut. Sie atmete tief durch und nahm den
Hörer ab. »Hozumi Financial Group, mein Name ist Kumiko Sugita. Was kann ich für Sie tun?«
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42.
Hamburg-Hafencity,
Montag 8:40 Uhr
»Mark!« Mary machte große Augen, als sie ihm die Bürotür öffnete. »Wo hast du gesteckt? Die Polizei sucht dich überall! Oder
hast du dich schon gestellt? Haben sie den Mörder gefunden?«
Bevor noch mehr Fragen aus ihr heraussprudeln konnten, schob er sich an ihr vorbei ins Büro. Er war noch etwas außer Atem,
denn er hatte die elf Stockwerke zu Fuß bewältigt. Es war zwanzig vor neun, und die meisten Mitarbeiter waren noch nicht da.
Die Polizei Gott sei Dank auch nicht.
»Mary, wir müssen den DINA-Kernel-Server abschalten. Sofort. Alles Weitere erkläre ich dir hinterher.«
»Aber Mark, das geht doch nicht! DINA ist unsere einzige Umsatzquelle, und …«
|170| »Hier geht es um mehr als um Geld. Ich habe Grund, zu glauben, dass es DINA war, die Rainer getötet hat.«
Mary starrte ihn entgeistert an. »Was? Wie? Du meinst Ludger, oder?«
Mark schüttelte den Kopf. »Rainer ist ebenfalls tot. Wir haben ihn gestern Morgen im Aufzug gefunden.«
»Deshalb waren die Fahrstühle gesperrt … O Gott! Ausgerechnet Rainer!« Tränen traten in ihre Augen. Sie hatte sich immer sehr
für ihn eingesetzt. »Wie ist das passiert?«
Mark erzählte ihr in aller Kürze von dem Brief und von seiner Begegnung mit Pandora.
Mary schüttelte den Kopf. »Rainer soll Ludger umgebracht haben? Das kann ich mir nicht vorstellen. Bist du dir sicher?«
»Nein, ich bin mir nicht sicher. Aber ich bin sicher, dass sowohl Ludger als auch Rainer wegen Pandora sterben mussten. Sie
ist gefährlich. Wir müssen sie sofort abschalten!«
Mary nickte. »Okay. Ich sage es Mr. Grimes. Er müsste gleich hier sein.«
»Was?«
Mary sah ihn erschrocken an. »Du weißt es nicht?«
»Ich weiß was nicht?«
Sie blickte zu Boden. »Der Aufsichtsrat … du warst ja nicht erreichbar, und … sie haben dich als Vorstand abberufen und John
Grimes eingesetzt.« Sie wich seinem Blick aus.
Vor ein paar Tagen wäre für Mark bei dieser Nachricht noch eine Welt zusammengebrochen. Doch inzwischen war ohnehin nichts
mehr übrig von der Welt, die er gekannt hatte. Außerdem war die Entscheidung des Aufsichtsrats nur logisch: Wenn der amtierende
Vorstandsvorsitzende ein flüchtiger Mordverdächtiger war, dann bestimmte man eben einen neuen.
»Ich verstehe«, sagte er. »Dann rede ich am besten selbst mit ihm. Ich warte hier, bis er kommt.« Er setzte sich auf einen
der komfortablen Sessel aus rotem Leder neben dem |171| Empfang, wie ein ganz gewöhnlicher Besucher in der Firma, die er gegründet hatte.
Er wartete eine knappe Viertelstunde, bis Grimes eintraf. Wenn er überrascht war, Mark zu sehen, sah man es seinem mürrischen
Gesicht nicht an. Er fragte nicht nach dem Grund für den Besuch, sondern bat ihn sofort in sein Büro.
Mark setzte sich zögernd auf einen der Besucherstühle auf der falschen Seite seines Schreibtisches. Grimes sah ihn mit seinen
wässrigen Glubschaugen an.
»Miss Andresen hat Sie über die Entscheidung des Aufsichtsrats informiert, nehme ich an«, sagte er.
Mark nickte. »Ich werde die Vorwürfe gegen mich entkräften. Ich bin unschuldig.«
»Ich glaube nicht, dass der Aufsichtsrat seine Entscheidung, Sie abzuberufen, rückgängig machen würde, auch wenn Ihre Unschuld
erwiesen wäre«, sagte Grimes.
Mark hatte nichts anderes erwartet. »Deswegen bin ich nicht hier. Mr. Grimes, Sie müssen den DINA-Kernel-Server abschalten.«
Grimes machte ein erstauntes Gesicht. »Warum sollten wir das tun?«
Mark erklärte ihm, was passiert war. Grimes hörte aufmerksam zu, so dass die Hoffnung in Mark aufkeimte, er würde den Ernst
der Lage begreifen. Vielleicht hatte er den dicken Engländer wieder einmal unterschätzt.
Doch als Mark geendet hatte, verzog sich Grimes’
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