Das System
Froschmund zu einem Grinsen, und die Hoffnung zerstob. »Sie erwarten doch
nicht im Ernst, dass ich Ihnen diesen Blödsinn glaube!«
»Bitte, Mr. Grimes, Sie müssen DINA abschalten! Wenigstens vorübergehend. Bis wir mehr darüber wissen, wie Rainer Erling den
Source Code manipuliert hat!«
»Ich rufe jetzt die Polizei«, sagte Grimes und nahm den Hörer ab.
»Bitte … Ich kann es beweisen!«
|172| Grimes legte den Hörer wieder auf. »Beweisen? Wie?«
»Starten Sie den Internet-Explorer. Ich zeige Ihnen Pandora.«
Grimes starrte ihn einen Augenblick durchdringend an. Dann nickte er und öffnete das Browserfenster auf seinem Computer. Mark
kam auf seine Seite des Schreibtischs und beugte sich über Grimes’ Schulter. Die Begrüßungsseite von DINA erschien: »Herzlich
willkommen! Ich bin DINA, Ihre neue natürlichsprachliche Assistentin, dazu da, Ihre Fragen zu Ihrem Projekt zu beantworten.
Bitte geben Sie den Projektnamen ein.«
»Geben Sie bitte ›Pandora‹ ein.« Grimes warf ihm einen kurzen Blick zu. Dann tippte er das Wort.
»Ein Projekt mit dem Namen ›Pandora‹ ist mir leider nicht bekannt«, gab DINA zurück. Mark starrte entgeistert auf den Monitor.
Grimes sah Mark finster an. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?«
»Sie lügt!«, rief er. Er nahm die Tastatur. »Pandora, bist du da?«, tippte er.
»Ihre Eingabe konnte nicht interpretiert werden. Bitte geben Sie einen registrierten Projektnamen ein.«
Schweiß trat auf Marks Stirn. »Wer hat Ludger Hamacher getötet?«, gab er ein.
»Ihre Eingabe konnte nicht interpretiert werden. Bitte geben Sie einen registrierten Projektnamen ein.«
»Es reicht jetzt«, sagte Grimes. Er griff zum Hörer und wählte 110. »Mein Name ist John Grimes«, begann er. »Ich möchte etwas
melden. Hier …«
Mark sprang auf. Es hatte keinen Sinn. Niemand würde ihm glauben. Die ganze Geschichte war auch zu phantastisch. Sie würden
ihn einsperren, vielleicht in eine Gummizelle stecken, und Pandora konnte sich unbemerkt ausbreiten. Er mochte sich nicht
vorstellen, welche Konsequenzen das hatte. Er musste Pandora irgendwie zerstören, solange er es noch konnte.
|173| Er rannte aus dem Büro, an den Schreibtischen einiger überraschter Mitarbeiter vorbei, zur Eingangstür. Mary, die an einem
der Arbeitsplätze saß, sah ihm erschrocken nach. »Mark! Was ist denn los?«
»Schalt den Kernel-Server ab!«, rief er ihr zu. »Bitte!« Dann war er aus der Tür. Durch das Glas sah er noch, wie Grimes Mary
zu sich winkte. Er hastete die Treppen hinab. Die Polizei würde sicher ein paar Minuten brauchen, bis sie hier war, aber er
wollte kein Risiko eingehen.
Als er zwischen dem siebten und sechsten Stock war, hörte er Stimmen unter sich. Er erkannte den Bass von Kommissar Unger.
Wie hatte er so schnell eintreffen können? Er begriff, dass die Polizisten von sich aus gekommen sein mussten, um die D.-I.-Mitarbeiter
zu Rainers Tod zu befragen. Das war sein Glück – sie wussten wahrscheinlich noch nichts von Grimes’ Anruf und rechneten nicht
damit, dass er hier war.
Mark schlich so lautlos wie möglich ein paar Schritte zum nächsten Treppenabsatz und öffnete eine Seitentür, die in einen
kleinen Vorraum mit den Fahrstühlen führte. An den Türen hingen Pappschilder mit der Aufschrift »Vorübergehend außer Betrieb«.
Eine Glastür gegenüber führte in das elegante Büro einer Unternehmensberatung. Eine junge Frau saß hinter einem modernen Empfangstresen
und sah ihn erwartungsvoll an.
Mark überlegte eine Sekunde. Eigentlich hatte er nur hier stehenbleiben und warten wollen, bis die Polizisten an ihm vorbei
waren, aber damit würde er sich verdächtig machen. Also klingelte er an der Tür.
Die Empfangsdame betätigte den Öffner.
»Guten Tag. Ich soll hier etwas abholen. Von einem John Grimes«, sagte er.
Die junge Frau runzelte die Stirn. »John Grimes? Hier gibt es niemanden, der so heißt.«
»Sind Sie sicher?« Mark runzelte die Stirn. »Aber er muss hier irgendwo in diesem Gebäude arbeiten.«
|174| Sie zuckte mit den Schultern. »Bei uns jedenfalls nicht.«
Mark bedankte sich und verließ das Büro. Er hoffte, die Verzögerung durch den kurzen Dialog habe ausgereicht, die Polizisten
zu umgehen. Sicherheitshalber las er noch einmal den kleinen Entschuldigungstext auf einem der Pappschilder, so langsam, wie
er konnte, ohne Verdacht zu erregen. Er drehte sich noch einmal um und lächelte der hübschen
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