Das System
einsperren, wenn sie wollten – ihm war es inzwischen
egal, solange er dafür sorgen konnte, dass Pandora vernichtet wurde.
Julia sah ihn mit geweiteten Augen an, als habe sie Angst vor ihm. Mark begriff, dass sie ihn immer noch für einen Mörder
hielt.
»Julia, ich war es nicht«, sagte er und ärgerte sich darüber, dass er ihr das erklären musste. »Rainer Erling hat Ludger ermordet.«
»Rainer? Der geistig Behinderte?«
»Er war nicht geistig behindert. Aber das ist jetzt auch egal. Er ist ebenfalls tot.«
»Was?«
»Eine intelligente Software hat ihn auf dem Gewissen, wenn du’s genau wissen willst. Und jetzt lass mich bitte rein!«
Julia hielt die Tür weiter fest. »Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn du hier übernachtest.«
Mark wurde allmählich wütend. »Julia, das ist immer noch mein Haus!«
Tränen traten in Julias hübsche Augen. »Dein Haus? Das Haus gehört der Bank! Sie haben schon angerufen.«
|167| Er seufzte. »Es tut mir leid, dass du das alles mitmachen musst. Ich hab mir das auch anders vorgestellt. Aber ich habe in
den letzten Tagen einiges durchgemacht und möchte jetzt einfach ein paar Stunden schlafen. Morgen früh bin ich wieder weg,
das verspreche ich dir.«
Julia nickte. Sie öffnete die Tür. »Ich gehe ins Bett«, sagte sie. »Gute Nacht.«
Mark sah ihr nach, wie sie die Treppe hinaufging. Ihr langes, blondes Haar wiegte bei jedem ihrer Schritte leicht hin und
her. Er konnte sich noch gut daran erinnern, wie ihn dieser Anblick begeistert hatte. Doch an der Stelle in seinem Bauch,
an der einmal Liebe gewesen war, war jetzt nur noch Leere. Sie waren sich fremd geworden. So fremd, dass Julia ihm einen Mord
zutraute.
Traurig ging er in die Küche und machte sich ein paar Brote. Dann legte er sich ins Gästebett und schlief rasch ein.
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41.
Shinjuku-Distrikt/Tokio,
Montag 9:30 Uhr
Das Telefon klingelte schon wieder. Kumiko sah es einen Moment misstrauisch an wie einen knurrenden Hund, bevor sie den Hörer
abnahm. »Hozumi Financial Group, mein Name ist Kumiko Sugita. Was kann ich für Sie tun?«
»Yoshiro Iwasaki hier. Eine Sauerei ist das!«, blaffte ein älterer Mann.
Kumiko zwang sich, zu lächeln. Sie wusste, dass man es ihrer Stimme anhörte. »Womit kann ich Ihnen helfen, Iwasaki San?«
»Mein Geld!«, brüllte Iwasaki in den Hörer. »Ich will sofort mein Geld zurück! Ihr Banditen könnt mir doch nicht einfach mein
Geld wegnehmen!«
»Iwasaki San, ich bin sicher, niemand hat Ihnen Geld weggenommen«, |168| sagte Kumiko ruhig. »Wir haben ein paar Probleme mit dem Computer …«
»Probleme? Das interessiert mich nicht! Ich will mein Geld wiederhaben! Sofort!«
»Iwasaki San, ich versichere Ihnen …«
»Das sage ich Ihnen, so was lass ich nicht mit mir machen! Ich bin seit siebenundzwanzig Jahren Kunde bei Ihnen, und jetzt
so was! Meine gesamten Ersparnisse sind das gewesen, und …«
Kumiko wusste sich nicht anders zu helfen. Sie tat etwas, das in Japan als äußerst unhöflich galt: Sie unterbrach ihren Kunden.
»Iwasaki San, der Kontoauszug, den Sie heute erhalten haben, ist falsch. Selbstverständlich ist Ihr Geld bei uns nach wie
vor vorhanden und sicher aufgehoben. Es gab nur einen Computerfehler, deshalb wurden falsche Kontoauszüge verschickt. Unsere
Techniker arbeiten mit Hochdruck daran, das Problem zu beheben. Ich entschuldige mich in aller Form für diesen peinlichen
Fehler.«
Einen Moment herrschte Stille am anderen Ende. »Heißt das, mein Geld ist immer noch da? Nur der Kontoauszug ist falsch?«,
fragte Iwasaki. Das Misstrauen in seiner Stimme war deutlich zu hören.
»Selbstverständlich, Iwasaki San.«
»Gut, dann komme ich gleich vorbei und hebe es ab. Auf Wiedersehen.« Er legte auf.
Oh, bitte nicht, dachte Kumiko. Die Schlange der Menschen unten im Schalterraum reichte bereits weit auf die Straße hinaus.
Nicht mehr lange, und der Filiale ging das Bargeld aus. Dann würde eine Panik ausbrechen, und die Leute würden erst recht
versuchen, an ihr Erspartes zu kommen. Das konnte den Zusammenbruch der ganzen Bank zur Folge haben. Eine Katastrophe. Das
Vertrauen, das die Bank über Generationen aufgebaut hatte, war an einem einzigen Tag zerstört worden. Wegen eines verdammten
Computerfehlers.
|169| Sie blickte zu ihrer Kollegin hinüber. Frau Agano war eine erfahrene Kundenberaterin, die schon seit mehr als zwanzig Jahren
in dieser Filiale arbeitete. Sie war immer sehr
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