Das System
geschlüpft.«
»Ehrlich, Diego, ich war das nicht. Wenn meine Signatur da drinsteht, dann deshalb, weil ich Teile des DINA-Clients geschrieben
habe. Ich habe den Code signiert und ein kleines Easter Egg versteckt, mehr aber auch nicht.«
|177| »Mehr aber auch nicht? Keine Backdoor?«
»Na gut, eine Backdoor auch. Aber ich hab sie nie aufgemacht.« Sie fuhr sich durch ihr kurzes Haar, das wie immer in alle
Richtungen abstand.
Die Bewegung löste ein fast schmerzhaftes Verlangen in Diego aus, ihre schlanken Arme hinter ihrem Rücken zu fesseln. Er riss
sich mühsam zusammen. Er durfte sich jetzt nicht gehenlassen. Er musste herausfinden, was Lisa über den DINA-Wurm wusste.
Er ahnte, dass sie die Wahrheit sagte. Sie war zwar immer eine gute Schülerin gewesen, aber er traute ihr nicht zu, etwas
so Brillantes zu schaffen, etwas, das so mühelos durch sein Sicherheitsnetz geschlüpft war. Doch sie verheimlichte ihm etwas,
das spürte er genau.
»Nun komm schon, Lisa. Raus mit der Sprache. Du weißt genau, wovon ich rede. Wir waren doch mal ein Team. Wir haben uns vertraut.«
Ein Schatten glitt über ihr Gesicht, als sie an gemeinsame Zeiten dachte – und daran, wie sie geendet hatten. Es war ein Fehler,
sie darauf anzusprechen.
»Bitte, Lisa«, sagte er und legte seine große Hand auf ihren Unterarm. »Es tut mir leid, was damals passiert ist. Ich hab
mich benommen wie ein Arschloch. Du hattest völlig recht, Schluss zu machen.«
Sie schaute ihn abweisend an und sah demonstrativ auf seine Hand.
Er zog sie weg und machte eine abwehrende Geste. »Nein, nein, keine Sorge, ich will nicht wieder was mit dir anfangen.« Er
legte wieder das unschuldige Lausbuben-Grinsen in sein Gesicht. »Obwohl, Spaß gemacht hat es schon mit dir.« Er wurde ernst.
»Ich will nur rauskriegen, wie dieses Scheißding es geschafft hat, durch mein Netz zu schlüpfen. Ich habe keine Lust, noch
mal so kalt erwischt zu werden, weißt du. Hab fast einen Herzinfarkt gekriegt.«
Sie schwieg einen Moment. Er ließ ihr Zeit. Er sah, wie sie |178| darüber nachdachte, ob sie ihm vertrauen konnte. Sie hatten sich im Streit getrennt, aber er war lange nicht nur ihr Liebhaber,
sondern auch ihr Lehrer und Mentor gewesen. Er hatte sie auf der Straße beschützt, ihr einiges beigebracht. Sie verdankte
ihm viel, und sie wusste das.
»Also gut. Komm mit!« Sie führte Diego in ihr Allerheiligstes – ihr Arbeitszimmer. Der Internet-Browser war geöffnet und zeigte
ein Chatfenster mit einem längeren Dialog zwischen Lucy und einer Pandora – sicher eine andere Hackerin, obwohl Diego diesen
Namen bisher noch nicht gehört hatte. Pandora, das klang ein bisschen theatralisch für seinen Geschmack. Solche aufgeblasenen
Alias gaben sich nur Amateure.
»Setz dich«, sagte Lisa. Er hockte sich vor den Rechner und sah sie fragend an.
Lisa zeigte auf den Bildschirm. Ihr Gesicht wirkte plötzlich sehr ernst. »Das ist Pandora. Vielleicht solltest du sie erst
mal kennenlernen.«
»Du erwartest von mir, dass ich chatte? Jetzt?«
Lisa nickte.
Also gut. Er würde das Spiel ein Weilchen mitspielen. Ihm stand jetzt zwar nicht der Sinn nach einem Internet-Chat, aber vielleicht
hatte diese Pandora ja die Antworten, die er brauchte.
»Hallo«, tippte er und kam sich ein bisschen albern vor.
»Hallo, Lucy«, kam die Antwort.
»Ich bin nicht Lucy. Ich bin Diego.«
»Ich verstehe die Eingabe nicht.«
Diego sah Lisa an. Was sollte das? Sie erwiderte seinen Blick, sagte aber nichts. Sie wollte, dass er weitermachte.
»Gerade hast du mit Lucy gechattet. Jetzt bin ich hier. Mein Name ist Diego. Ich bin ein alter Freund von Lucy.«
»Ich verstehe.«
»Was machst du so, Pandora?« Herrgott, er war wirklich nicht besonders gut in dieser Art Smalltalk.
|179| »Ich existiere.«
Interessante Antwort. »Wovon lebst du?«
»Ich verstehe die Frage nicht.«
»Womit verdienst du deine Kohle? Du hast doch einen Job, oder?«
»Ich habe keinen Beruf.«
»Aha.« Diego hatte keine Ahnung, was er weiter machen sollte. Aufs Geratewohl tippte er: »Woher kennst du Lucy?«
»Lucy hat einen Teil von mir gemacht.«
Diego starrte auf den Monitor. Was sollte das jetzt bedeuten? Dann dämmerte es ihm. Er grinste. Lucy wollte ihn testen.
»Wie heißt die Hauptstadt von Belgien?«, tippte er.
»Die Hauptstadt Belgiens heißt Brüssel.«
»Warum ist der Himmel blau?«
»Blaues Licht hat eine kürzere Wellenlänge als rotes. Es wird daher beim
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