Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das System

Das System

Titel: Das System Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
diesen Versandtaschen hier in seinem Schreibtisch, außerdem passende Briefmarken, genau vier Stück. Ich bin sicher,
     dass er regelmäßig etwas verschickt hat.«
    »Verschickt? Was denn?«
    »Pandoras Source Code.«
    |205| »An wen sollte er den denn schicken? Und warum?«
    »An jemanden, dem er vertraute. Sicherheitshalber. Schließlich kann eine Wohnung abbrennen. Ich kenne einen Spieleprogrammierer,
     der seine Source Codes regelmäßig an seine Mutter schickt.«
    »An seine Mutter?«
    »Ja, sie bewahrt sie für ihn auf. Das ist billiger als ein Schließfach, und der Effekt ist derselbe.«
    »Und du? Wie sicherst du deine Codes? Schickst du sie auch an deine Mutter?«
    Lisas Gesicht wurde zu einer ausdruckslosen Maske. Sie wandte den Blick ab. Hatte er etwas Falsches gesagt?
    Nach einem Moment betretenen Schweigens zuckte sie mit den Achseln. »Ich habe nicht viel, das ich sichern müsste. Die Auftragsarbeiten,
     die ich als Freelancerin für meine Kunden mache, sind auf deren Servern gespeichert. Ein paar Sicherheitskopien von selbstentwickelten
     Tools habe ich auf einem öffentlich zugänglichen Server im Internet abgelegt.«
    Mark atmete aus. Der Moment der Anspannung war vorüber.
    »Wäre das nicht auch eine Möglichkeit für Rainer gewesen?«, fragte er.
    »Glaube ich nicht. Wenn man etwas wirklich geheim halten will, sind Webserver viel zu unsicher.«
    Mark sah sich um. Auf dem Nachtschrank neben dem Schlafsofa stand ein silberner Bilderrahmen mit dem Porträt einer älteren
     Frau. Er hatte es bereits in der Hand gehabt und das Foto aus dem Rahmen gelöst, um nachzusehen, ob dahinter irgendwelche
     geheimen Hinweise versteckt waren.
    »Seine Mutter …«, sagte er nachdenklich. Er nahm den Rahmen in die Hand und betrachtete das Gesicht der Frau, die warmherzig
     in die Kamera lächelte. Vielleicht war sie der Schlüssel zu Pandoras Source Code. Er steckte das Bild in seine Jackentasche.
    Sie suchten den Rest des Nachmittags weiter, fanden |206| jedoch keine weiteren Hinweise. »Ich glaube, das hier hat keinen Sinn mehr«, entschied Mark gegen acht Uhr abends. »Außerdem
     habe ich Hunger.«
     
    Sie gingen in eine kleine Pizzeria um die Ecke. Mark bestellte sich Spaghetti mit einer scharfen Tomatensauce. Während sie
     aßen, wurde ihm erneut bewusst, wie sehr sein Leben in den vergangenen Tagen aus den Fugen geraten war. Er war durch die Lüneburger
     Heide vor der Polizei geflohen und hatte einen Vergewaltiger in die Flucht geschlagen. Er hatte seine Firma und seinen Job
     verloren, und mit seiner Ehe stand es auch nicht zum Besten. Jetzt saß er hier bei Kerzenlicht mit Lisa, als hätten sie ein
     romantisches Date. Er sah sie an, beobachtete, wie sie mit großem Appetit ihre Pizza mit Thunfisch verzehrte, und ertappte
     sich bei dem Gedanken, dass er sie unter anderen Umständen vielleicht wirklich gern zu einem solchen Dinner eingeladen hätte.
    Sie blickte auf und sah ihn an. »Was ist? Warum grinst du so?«
    Mark spürte, wie er rot wurde. Zum Glück sah man das in dem trüben Licht nicht. »Ich habe nur gerade überlegt, dass wir schon
     ein seltsames Paar sind. Wir beide als Retter des Internet!«
    Sie lächelte kurz. »Ich finde, das Internet hat ganz schön Glück, dass es uns gibt!« Dann wurde sie wieder ernst. »Was machen
     wir als Nächstes?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht sollten wir uns in Rainers persönlichem Umfeld umsehen. Wer weiß, möglicherweise hat er seiner
     Mutter tatsächlich eine CD geschickt.«
    »Aber er hat doch in dem Brief geschrieben: ›Liebe Eva‹.«
    Mark nickte. »Das heißt nicht, dass sie nicht trotzdem seine Mutter sein kann. Wie auch immer, da wir nicht genau wissen,
     wer diese Eva ist, fangen wir am besten bei seiner Familie an.«
    »Okay. Ich nehme an, du musst jetzt nach Hause …«
    |207| Mark zögerte. Eigentlich gab es nichts, was ihn in sein Haus zog. Er hatte nicht die geringste Lust, Julia zu begegnen. »Ich
     dachte, vielleicht …«
    Lisa sah ihn aufmerksam an.
    »Na ja, es ist nur so, dass … zu Hause …«
    Sie grinste. »Du kannst gern bei mir übernachten. Du kennst ja schon die Gummimatte. Aber bild dir bloß nichts darauf ein!«
    Er schaute sie ernst an. »Lisa, wir stehen das hier zusammen durch. Danach …« Er wusste plötzlich nicht mehr, was er weiter
     hatte sagen wollen.
    Sie nickte nur. Sie bezahlten und fuhren mit der U-Bahn zurück zu Lisas Wohnung.
    Später lag Mark noch lange wach, doch es war nicht die unbequeme Unterlage,

Weitere Kostenlose Bücher